Diamanten Eddie

  • Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt, 2014, Seiten: 699, Originalsprache
Diamanten Eddie
Diamanten Eddie
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Sebastian Riemann
721001

Belletristik-Couch Rezension vonSep 2014

Gefangener, Ganove und Gutmensch

Sabine Kray hat nicht nur ein Buch über ihren Opa geschrieben, sondern über eine Legende. Einen Mann, den alle mochten, den alle gern um sich hatten. Weil er ein angenehmer Zeitgenosse war und nicht mit dem Geld knauserte. Kein bisschen. Er war sogar sehr großzügig, lud seine Freunde gern ein und verteilte beachtliche Trinkgelder. Woher das ganze Geld kam, wollte niemand so genau wissen. Der Eddie war einfach ein guter Kerl, bemüht sich mit seinen Mitmenschen gut zu stellen und ihnen unter die Arme zu greifen, wo er konnte. Nun gut, die Polizei interessierte sich sehr für das ganze Geld. Die Besitzer von kostbaren Geschäften interessierten sich dafür, wer sie überfiel, ihnen ihre Pelze, Uhren und Diamanten nahm. Und der Sohnemann entwickelte auch ein Interesse daran, was der Vater tat, um sein Geld zu verdienen, und warum man ihn Diamanten Eddie nannte.

Diamanten Eddie erzählt die Geschichte von Edward Kray, einem Jungen aus Polen, der später ein sehr erfolgreicher Dieb in Westdeutschland wurde und der Großvater der Autorin Sabine Kray war. Alles beginnt im September 1939 in der polnischen Stadt Zamosc. Die deutschen Flieger greifen den Ort an und zerstören die Familie des Jugendlichen Edward. Kurz darauf marschieren die deutschen Soldaten ein, verhaften den Jungen, da er Anderen Unterschlupf gewährte, und schicken ihn in einem Viehwaggon nach Westdeutschland, wo er in einem Arbeitslager schuften muss. Die Lebensbedingungen sind schlecht, den Menschen aus Osteuropa wird eine besondere Aufmerksamkeit zuteil, sie werden schlechter behandelt als andere Häftlinge. Es wird eine Zeit der körperlichen und seelischen Schmerzen. Die unterschiedliche Behandlung gemäß Unterschieden von Rasse und Herkunft zeigt sich in allen Aspekten des düsteren Lagerlebens. Die Hoffnung auf einen gerechten Umgang zwischen Aufsehern und Gefangenen weicht schnell, Willkür und Misshandlungen treten hervor und verdeutlichen den Verschleppten aus Osteuropa in welch bedrohlicher Lage sie sich befinden. Der Junge ist verzweifelt, hat aber genügend Kraft und Verstand, um bei einer sich bietenden Gelegenheit zu fliehen. Doch dann kriegen sie ihn wieder. Alles wird schlimmer. Er kann wieder fliehen. Aber sie kriegen ihn. Und alles wird viel schlimmer.

Die Geschichte wird in zwei Erzählsträngen wiedergegeben, zum einen die Ereignisse während des zweiten Weltkrieges, sowie die darauf folgenden Jahre, zum anderen die Geschichte von Eddie dem älteren Dieb in den 70ern und 80ern. Abwechselnd wird erzählt, von unterschiedlichem Leid. Im Lager leidet Edward unter den Misshandlungen und später unter der eigenen Lebensführung. Er ist ein Krimineller, der viel Geld macht und ausgibt. Sobald er es besitzt zerfließt es in seinen Händen. Ins Gefängnis muss er hin und wieder. Deshalb und wegen seiner Freundin, die mit dem gemeinsamen Sohn schwanger ist, denkt er nach und will aufhören krumme Dinger zu drehen. Er spürt, dass sein Leben nun eine Wendung nehmen könnte, ihn auf einen ordentlichen, bürgerlichen Weg führen könnte. Ein Job, ein Haus, eine Familie. So wie es sein sollte. Für kurze Zeit begeistert ihn die Idee, doch dann kann er nicht widerstehen und verzockt das ganze Geld, mit dem sie langsam eine neue Zukunft bauen wollten. Eddie kann nicht anders.

Natürlich ist seine Persönlichkeit ein Produkt seiner Biographie. Die Erlebnisse in den Kriegsjahren machen ihn zu einer Randfigur der Gesellschaft, eine Gesellschaft, die ihn immer nur schlecht, immer nur als Menschen zweiter Klasse behandelt hatte. Für Diamanten Eddie gibt es keinen Grund sich an die Regeln zu halten, denn ihm gegenüber wurden die grundlegenden Regeln des menschlichen Zusammenseins gebrochen, auf furchtbare Art, immer und immer wieder. Dabei ist er jedoch kein verbitterter alter Mann geworden, sondern ein angenehmer Mitmensch, der seine Freunde und Familie schätzt und auch von ihnen geschätzt wird.

Die Sprache des Romans ist einfach, locker und ohne viel Aufhebens werden die zahlreichen Episoden aneinandergereiht. Das passt gut zum alten Diamanten Eddie, der in seinem Umgang ebenso locker ist und die Dinge nicht unnötig komplizieren möchte. Das passt auf den ersten Blick auch zum jungen Edward, beim zweiten jedoch nicht mehr. Eine einfache Sprache für einen jungen Menschen ist durchaus angebracht, aber leider mischen sich in diese jugendliche Sprache viele gar nicht so jugendliche Überlegungen. Edward ist von Beginn an überlegt und kritisch, übermäßig reflektiert für einen Fünfzehnjährigen. Ein Hauch Naivität hätte jenen Gedanken gut getan, damit sie den Ton nachträglicher Beurteilung verlieren, damit man nicht die Stimme eines Älteren aus den Worten des Jungen hört.

Ein unterhaltsames Buch, welches manchmal zu lang erscheint, weil es einer Verdichtung an Geschehen und Bedeutung ermangelt. Dies ist jedoch dem journalistischen Arbeitsstil der Autorin geschuldet, die bemüht ist viel zu erzählen und dadurch einen gewinnbringenden Einblick zu ermöglichen. Dies ist ihr mit Diamanten Eddie durchaus gelungen.

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