Das Haus des Windes

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2014
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  • New York: Harper, 2012, Titel: 'The Round House', Originalsprache
  • Berlin: Aufbau, 2014, Seiten: 384, Übersetzt: Gesine Schröder
Das Haus des Windes
Das Haus des Windes
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Rita Dell'Agnese
851001

Belletristik-Couch Rezension vonDez 2014

Vom Zerbrechen einer starken Frau

Völkerkonflikt, soziale Spannungen, alte Traditionen: Das Leben in Indianerreservaten birgt etlichen Zündstoff. Louise Erdrich hat mit ihrem Roman Das Haus des Windes also ein Thema aufgenommen, das facettenreicher kaum sein könnte. Diese bunte Vielfalt – die sowohl gute als auch unschöne Seiten beinhaltet – vermag die Autorin in ihrem Roman auf eine Art zu spiegeln, die die Geschichte über die Masse ähnlicher Thematiken hinaus hebt. Obwohl dem Buch ein düsteres Thema zugrunde liegt, nämlich die Vergewaltigung einer Indianerin und die damit verbundene langsame Zerstörung der Frau und ihrer Familie, erzählt sie in einem lockeren Tonfall, der den Schrecken aber keinesfalls verniedlicht oder verneint. Im Gegenteil. Es mag genau dieser Erzählstil sein, der den Schrecken in seiner ganzen Breite erlebbar macht.

Erzähler des Romans ist Joe. Die Welt des Dreizehnjährigen bricht in sich zusammen, als er mit den Folgen der Gewalt an seiner Mutter konfrontiert wird. Die Frau, die dem Jungen bis zu diesem Zeitpunkt nahezu unverwundbar erschien, zieht sich nach einer Vergewaltigung vollkommen in sich zurück. Joe ist erschüttert, als er den langsamen Untergang seiner Mutter mitverfolgt. Sein Wunsch nach Rache bekommt Auftrieb, als er erkennen muss, dass den Menschen im Indianerreservat kaum Gerechtigkeit wiederfahren wird. Doch Joe will sich damit nicht abfinden. Er lehnt sich gegen die seiner Meinung nach lethargische Haltung der Indianer auf und beginnt, auf eigene Faust nach dem Täter zu suchen, der das Familienglück zerstört hat. Damit ist jedoch die unbeschwerte Jugendzeit für ihn vorbei. Je mehr er sich mit den schrecklichen Details der Tat auseinander setzt, desto grösser ist sein Entsetzen. Er muss zudem erkennen, dass er nicht nur die Weißen gegen sich hat, auch die Indianer selber stehen nicht unbedingt hinter seinen Bemühungen. Doch Joe gibt nicht auf. Er will, dass seiner Mutter Gerechtigkeit wiederfährt und sie damit den Zugang zu einem Heilungsprozess findet.

Die Geschichte des langsamen Zerbrechens der starken Frau ist eine bewegende Geschichte. Ohne Anklage legt die Autorin Louise Erdrich den Finger auf die Wunden. Einerseits auf die Wunde der Seele von Joes Mutter, andererseits auf die Wunde des Systems im Indianerreservat. Und schließlich auch auf die Wunde, die die Ereignisse dem Jungen zuführen, der über sich hinaus wachsen muss und zu verstehen beginnt, dass das Leben nicht immer fair ist und dass Gesetze nicht für alle Menschen gleich gelten. Hier könnte Erdrich ohne weiteres ein Exempel der Moral statuieren – sie unterlässt es aber, den Mahnfinger zu heben und erzählt schlicht, was in den einzelnen Protagonisten vor sich geht. Ohne Schnörkel und unnötige Ausschmückungen. Dieser Erzählstil und die aus einer gewissen Distanz betrachtete Situation machen den Roman unglaublich intensiv. Sie lassen den Leser in eine Welt eintauchen, die alle Facetten des Lebens aufweist. Nichts ist bei Erdrich nur dunkel oder hell: Sie lässt mit ihrer Schreibweise alle Grautöne zu und gibt dem Leser die Chance, selber langsam Schlüsse zu ziehen und sich ein Bild von der Situation zu machen. Die Wahl des Erzählers ist geschickt – es braucht nur wenige Seiten, um Joe sein Herz zu öffnen und mit dem Jungen mitzufühlen. Damit hat Louise Erdrich einen Türöffner zu den Herzen der Leserinnen und Leser und vermag es deshalb ihre Geschichte auf eine besonders eindringliche Weise zu erzählen.

Es wird für einige Leser eine große Herausforderung sein, sich mit der Thematik so intensiv auseinanderzusetzen, wie es die Autorin tut. Auch wenn Erdrich die Leser langsam an die Sache heranführt und ihnen mit kleinen, liebenswürdigen Details immer wieder eine Atempause gönnt, prasseln die Wahrheiten schließlich wie ein Hagelschauer über die Leser herab. Man muss bereit sein, sich der Geschichte zu öffnen und zuzulassen, dass es weh tut. Denn dann wird man ein intensives Erlebnis haben und in eine Welt Vorstoßen, die hier in Europa kaum bekannt ist. Wird etwas so professionell und eindringlich erzählt, wie es mit Das Haus des Windes geschieht, kann man sich dem Zauber kaum entziehen. Auch dann nicht, wenn die Geschichte im Kern so tragisch und bedrückend ist, wie in diesem Fall.

Das Haus des Windes

Louise Erdrich, Aufbau

Das Haus des Windes

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