Mit jedem neuen Tag

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2015
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  • München: Blanvalet, 2015, Seiten: 368, Übersetzt: Eliane Hagedorn, Bettina Runge
  • Paris: Editions Robert Laffont, 2012, Titel: 'Si c'était à refaire', Originalsprache
Mit jedem neuen Tag
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Rita Dell'Agnese
851001

Belletristik-Couch Rezension vonDez 2014

Roman über Liebe, Leid und Unvorstellbares

Nein, wer sich nicht mit dem Unmöglichen befassen mag, sollte diesen Roman nicht in die Finger nehmen. Denn Marc Levy weicht auch bei diesem Roman nicht von seinem Stil ab. Dem Übernatürlichen kommt erneut hoher Stellenwert zu: Andrew Stilman, Journalist und Protagonist des Romans, wird beim Joggen niedergestochen. Die Klinge zerfetzt seine Organe, er hat keine Chance. Und doch kehrt er nach kurzer Zeit aus der Dunkelheit zurück. Allerdings zwei Monate vor dem tödlichen Ereignis – und mit dem Wissen, was genau in den vergangenen zwei Monaten geschehen ist. Andrew macht sich auf die Suche nach seinem möglichen Mörder. Erschreckt stellt er fest, dass es gleich mehrere Menschen gibt, die ein Motiv hätten. Und genügend Hass und Wut, um ihn zu töten. Als Enthüllungsjournalist hat er eben erst eine Story über gestohlene chinesische Kinder veröffentlicht, die an amerikanische Ehepaare verkauft wurden. Adoptiveltern müssen nun um ihr Liebstes bangen. Aber auch seine Jugendliebe Valery hätte allen Grund, ihm den Tod zu wünschen, hat er ihr doch noch in der Hochzeitsnacht das Herz gebrochen. Außerdem gibt es da noch den Kollegen Fredy Olson, der Andrew mit seinem Neid das Leben schwer macht. Auch die neueste Recherche über ungesühnte Verbrechen der Militärherrschaft in Argentinien könnte dazu führen, dass ihm jemand nach dem Leben trachtet. Andrew will die zwei Monate nutzen, um seinen Mörder ausfindig zu machen und das Schlimmste zu verhindern. Ihm zur Seite stehen ein pensionierter Polizist und sein Freund Simon.

Es ist tatsächlich eine abstruse Geschichte, in die Marc Levy seine Figuren verwickelt. Primär ist der Gedanke, eine zweite Chance zu bekommen und Dinge, die man falsch gemacht hat, noch einmal besser machen zu können, eine interessante Ausgangslage. Levy versteht es wunderbar, dieses Gedankenspiel auszuloten und Andrew allerlei Situationen erleben zu lassen, die sich beim zweiten Mal ganz anders entwickeln. Es ist aber nicht diese bezaubernde Liebesgeschichte mit ein paar temporeichen Action-Szenen, die einige Leserinnen und Leser von Levy erwarten könnten – in Erinnerung seines erfolgreichsten Romans „Solange du da bist". Es ist ein durchaus ausgereifter und ernsthafter Roman, in dem die Liebe zwar ihren Platz findet, der aber auch Unvorstellbares enthüllt und den Leser so unvermittelt mit Grauenvollem konfrontiert, dass die Geschichte tief in die Seele eindringt. Die Figur von Andrew Stilman ist dabei die perfekte Option: Durch ihn kann Marc Levy Geschichten erzählen, die schmerzhaft und fürchterlich sind. Geschichten, vor denen die Gesellschaft die Augen verschließt, um sich nicht damit auseinander setzen zu müssen.

Vieles, was Levy in seinen Roman packt, wäre nicht unbedingt nötig – oder zumindest nicht in dieser Ausführlichkeit. Da und dort gibt es ein paar Längen, da und dort verlieren Andrew und Simon etwas an Souveränität. Man mag es dem Autor aber verzeihen. Selbst das an sich absurde Konstrukt mit dem Zeitsprung passt – wenn es auch nicht ernsthaft nötig gewesen wäre, um die Geschichte selber zu erzählen. Hier mag man dem Autor unterstellen, er habe bewusst mit dem Mysterie-Element gespielt, um seiner Linie treu zu bleiben und an die bisherigen Bestseller anzuknüpfen. Tatsächlich ist sich Levy treu geblieben und dürfte auch seine Fans kaum enttäuschen – sofern sie denn bereit sind, sich auf die wesentlich härtere Gangart einzustellen. Etwas, das sich durchaus lohnt. Der reifere und unverblümte Levy wird nicht allen gefallen, die noch an seinem Erfolgsroman hängen. Aber er wird neue Leserinnen und Leser überzeugen können.

Dass Marc Levy seine Geschichte nicht ganz zu Ende erzählt und die Leser mit einem Cliffhanger zurück lässt, ist angesichts des Potenzials, das in der Geschichte steckt, tragbar. Ganz befriedigend ist es allerdings nicht. Levy lässt dadurch sein Publikum nicht nur etwas ratlos zurück, er bedient sich auch des Instruments, eine Geschichte dann weiter zu spinnen, wenn der erste Teil von Erfolg gekrönt war. Eine zwar verständliche, aber nicht ganz überzeugende Variante. Das ist – angesichts des tiefgründigen Inhalts, der mit einer bestechenden schreiberischen Leichtigkeit serviert wird – an sich bedauerlich.

Mit jedem neuen Tag

Marc Levy, Blanvalet

Mit jedem neuen Tag

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