Der Wert der Erinnerungen
Kunstraub, ein Verbrechen, das im zweiten Weltkrieg zuhauf in von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten in Schlössern, Bibliotheken, Museen und Privatsammlungen mit dem vordergründigen Ziel der Gründung eines "Führermuseums" geschah, in dem die Stücke dann ausgestellt werden sollten. Gleichzeitig diente die sogenannte Beutekunst der Devisenbeschaffung, wozu sie auf dem internationalen Kunstmark angeboten wurde. Ein weiterer Teil der Werke landete in der Privatsammlung Görings. Nach Beendigung des Krieges wurde die Beutekunst von den Alliierten mit dem Ziel der Rückgabe an ihre rechtmäßigen Besitzer aus den Bergungsorten zu verschiedenen zentralen Sammelstellen gebracht, fotografiert und katalogisiert. Auch heute befinden sich schätzungsweise noch 500000 Werke außerhalb des Besitzes ihrer rechtmäßigen Eigentümer oder ihrer Erben, sodass weiterhin Provenienzforschungen und Rückgabeprozesse durchgeführt werden. Als auch Liv aufgefordert wird, ihr geliebtes Gemälde abzugeben, fällt für sie eine Welt zusammen, denn es handelt sich für sie nicht um ein einfaches Gemälde, es ist für sie DAS Gemälde, dass ihr verstorbener Ehemann ihr schenkte und für sie mehr als nur materiellen Wert besitzt.
Sophie und Liv: Zwei Frauen die in verschiedenen Zeiten leben, nicht verwandt sind in die dennoch eine Verbindung haben: Beide haben eine besondere Beziehung zu einem Porträt, das Édouard, der Ehemann Sophies, noch vor dem ersten Weltkrieg von seiner Frau malte. Als es Livs Ehemann David in die Hände fällt, schenkt er es Liv und wird nach seinem frühen Tod zu einer ihrer wichtigsten Erinnerungen an ihn. Als ihr das Gemälde in einer Welle der Widergutmachung geschehener Kriegsverbrechen genommen werden soll, erwacht ihr Kampfgeist. So leicht will sie sich ihren wertvollen Schatz nicht nehmen lassen, vor allem nicht, da er über Kauf vollkommen legal in ihren Besitz kam. Das gerade Paul, der erste Mann in den sie sich nach Davids Tod verliebt, als Anwalt für die Rückbeschaffung von Gemälden zuständig ist, macht es da nur noch eine Spur komplizierter...
Jojo Moyes, geboren 1969 in London, studierte Journalistik und arbeitete u.a. für die "Sunday Morning Post" in Hongkong und den "Independent" in London. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern auf einer Farm in Essex. Mit ihrem Roman Ein ganzes halbes Jahr gelang ihr 2012 der internationale Durchbruch.
Mit Ein Bild von dir knüpft Jojo Moyes nahtlos an ihren Kurzroman Die Tage in Paris an, der die Vorgeschichte des Romans erzählt. Wie auch im ersten Teil der Geschichte berichtet Moyes abwechselnd von den Erlebnissen der beiden Frauen, deren Leben sich zu unterschiedlichen Zeiten zu einem nicht unwesentlichen Teil um ein Porträt Sophies dreht. Sophie lebt dabei während der Zeit des ersten Weltkriegs in einem kleinen französischen Dorf, dass von den Deutschen besetzt ist. Zwar versuchen die Bürger tapfer Widerstand zu leisten, doch Morde und weitere Einschränkungen rauben ihnen mehr und mehr die Kraft. Nachdem auch Èdouard zum Kriegsgefangenen wurde, muss Sophie mit ihrer Schwester das kleine Dorfrestaurant alleine weiterführen. Als sich einer der Soldaten besonders für ihr Porträt interessiert, gefährdet sein Interesse sie mehr als sie zunächst ahnen kann... Auch Livs Leben viele Jahre später ändert sich durch ihre Beziehung zu Paul und führt sie schließlich viele Jahr zurück zur Geschichte Sophies. Moyes gelingt es in ihrem Roman, zwei Zeiten miteinander zu verknüpfen und schafft auf diese Weise eine ganz besondere Liebesgeschichte, die nicht nur Herz-Schmerz, sondern auch interessante geschichtliche Informationen über die Zeit des ersten Weltkriegs und die Verbrechen der Beutekunst liefert.
Detailreich und lebendig erzählt sie von zwei starken Frauen, die sich gegen Widerstände zur Wehr setzen und für ihre Ziele kämpfen. Einfühlsam und sensibel schreibt sie von den Sorgen und Ängsten, aber auch Hoffnungen und Sehnsüchten ihrer Protagonistinnen, sodass es nicht schwerfällt, sich mit ihren sympathischen Figuren zu identifizieren um bis zum Ende mitzufiebern, ob es schließlich doch noch zum Happy-End kommt.
Alles in allem ist Jojo Moyes mit Ein Bild von dir ein Liebesroman gelungen, der sich nicht hinter den vorherigen Romanen der Autorin verstecken muss und durch mehr Tiefe und eine überzeugende Handlung besticht.
Ein lesenswerter Roman!
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