Der Beginn einer neuen Welt
Ein erstes Erwachen ist dieser Übergang vom Kindesalter zur Jugend, von der Unschuld und Ahnungslosigkeit zur Hinterfragung der bekannten Welt. Die Jugend ist eine Zeit großer Wandel, man lehnt sich auf gegen das Alte und schenkt den Erklärungen von gestern keine Aufmerksamkeit mehr, da sie von gestern sind und sich nicht richtig anfühlen. Man wandelt sich und die Welt. So ergeht es dem Protagonisten in Andreas Maier neuem Roman, der sich plötzlich in einem neuen Lebensgefühl gefangen findet, ohne recht einordnen zu können, was vor sich geht und wohin alles führen wird. Ein einfühlsamer Rückblick in eine Zeit, die von diffusen Gefühlen bestimmt wurde und erstmals die Anziehung zu einem Mädchen erlebte.
Bier, Zigaretten, Partys, das sind die Merkmale des neuen Daseins. Der Jüngling im Ort verbringt viel Zeit in der Clique, zusammen feiern sie viel – es mag einen besonderen Anlass geben oder auch nicht – und genießen die gemeinsamen Momente. Oft bringen sie ihre Schlafsäcke mit, vergnügen sich die ganze Nacht, verschlafen einen Teil des kommenden Tages und rollen die Schlafsäcke wieder zusammen, um zur nächsten Feier zu fahren. Es ist Sorglosigkeit und Gemeinschaft, die Freude hervorbringen. Aber neben diesem kollektiven Gefühl bewegt sich noch etwas anderes im Protagonisten, der auch stark von seinen einsamen Momenten geprägt wird. In seinem Zimmer liest er gern, trinkt dazu einen Rotwein, und manchmal zieht er des Nachts durchs Städtchen, wenn die meisten Bewohner schon schlafen.
Man muss es dem Autor zu Gute halten, dass er bei seinen Beschreibungen des jugendlichen Gefühls von Wandel nicht ins Schwadronieren und auch nicht ins Philosophieren verfällt, oder besser gesagt: Es ist gut, dass er sich zurückhält. Der junge Protagonist im Ort lässt sich natürlich verleiten und bezaubern, er traumwandelt durch die Gegend, gerne im Schutze der Nacht, und lässt sich von seinen neuen, unbekannten Gefühlen und den verstärkten Eindrücken um ihn herum einnehmen. Der Autor aber gebietet dem Schwärmen Grenzen und verdeutlicht regelmäßig, dass es sich um ein wirres, unklares Gefühl handelt, welches sich der Sprache entzieht. Es sind wage Ideen und Empfindungen des Jungen, die oft zu verwirrenden und unterhaltsamen Szenen führen. Der Wandel in einem jungen Menschen ist eine konfuse Angelegenheit und Maier weiß diesen zentralen Aspekt gekonnt darzustellen, um seinem Roman eine authentische und zugleich träumerische Atmosphäre zu geben.
Und dann ist da noch die erste Liebe. Doch auch da muss man die Zurückhaltung des Autors loben. Elegant und dezent wird das Thema mit dem allgemeinen Wandel verbunden, hier und da besprochen in Form wirrer Vorstellungen und Zweifel, am Ende aber nicht übertrieben, um Kitsch zu vermeiden. Spring is here, sing Charlie Chaplin im Hintergrund und der junge Protagonist erwacht zu neuem Leben. Besonders wird dies deutlich in seiner Epoche als Bettelmönch, da er fastet, friert, meditiert, wenig schläft und allerlei unternimmt, um sein altes Dasein hinter sich zu lassen, sich der neuen Welt zu widmen, in dessen Zentrum er immer das Mädchen sieht, das ihn verzaubert, die aber doch viel größer ist, ohne dass er es bemerkt.
So konfus die Gefühlsregungen des Junge sind, so konfus schließt auch das Buch mit einer Episode, die dann doch den Schlenker zur Philosophie macht. Russells empirische Philosophie wird herangezogen, dazu noch das Gefühl seine Hände nicht bewegen zu können. Was geraucht wurde, sagt der Autor nicht, muss er auch nicht, da der Schluss doch durchaus gelungen ist, ebenso das Buch, bei dem man doch regelmäßig Kitsch erwartet, ihn aber nur selten findet, weshalb es eine wohlige Überraschung ist.
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