Die Liebenden von Allerheiligen
- Schöffling & Co.
- Erschienen: Januar 2013
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- Frankfurt am Main: Schöffling & Co., 2013, Seiten: 264, Übersetzt: Susanne Lange
- : Schöffling & Co., 2001, Titel: 'Los Amantes de Todos los Santos', Originalsprache
Man verletzt diejenigen, die einem nahe sind
Der Mann ist auf der Jagd in den Wäldern der Ardennen, während in seinem trauten Heim die schwangere Ehefrau das Bett mit einem fremden Mann teilt. Jemand wird sterben, alle werden leiden und am Ende sind Leidenschaft und Liebe, die erst zur Hochzeit führten und in einem anderen Moment zum Fremdgehen, verschwunden. Zurück bleiben unglückliche, einsame Menschen, die versuchen ihre Wunden zu heilen.
Juan Gabriel Vásquez schreibt über emotionale Nähe und die Schmerzen, die Menschen sich gegenseitig zufügen. Meist handeln seine Erzählungen von Liebenden, die doch nicht so glücklich sind oder einfach nicht anders können als sich zu verletzen. Es wird betrogen, man streitet und trennt sich, kommt wieder zusammen, trägt alte Probleme mit sich herum und des Öfteren wirft sich der Tod ins leidliche Getümmel, auf das jede Hoffnung sterbe und niemand glücklich werden kann. Düstere Literatur auf engstem Raum. Der vorliegende Band versammelt sieben Erzählungen des kolumbianischen Schriftstellers, der bereits mehrfach ausgezeichnet und in verschiedene Sprachen übersetzt wurde, hierzulande jedoch wenigen bekannt ist.
In Europa spielen sich die meisten Geschichten ab, zumeist in Belgien, in den Bergen und Wäldern der Ardennen. Oft liegt Nebel über der Landschaft, es ist kalt. Die wenigen Ortschaften, die auftauchen, sind winzig, bestehen aus wenigen Häusern. Die meisten Figuren des Buches jedoch wohnen abgelegen, in großen Häusern, die keine Nachbarn kennen und die wenigen Bewohner sich selbst überlassen. Diese Isolierung dient der Thematik des Autors, denn erst in einem Szenario mit wenigen Personen werden die zwischenmenschlichen Probleme so erdrückend und existenzbedrohend wie er sie schildert. Es fehlt schlichtweg an Ausweichmöglichkeiten. Die Leidenden sehen sich stets gefangen in einem engen Netz aus Freundschaft, Verwandtschaft, Abhängigkeit, Lust und Schuld.
Die Jagd scheint ein wesentlicher Bestandteil des Lebens in den Ardennen zu sein, nahezu jeder Mann in den entsprechenden Erzählungen ist ein Jäger oder möchte ein Jäger sein. Die Jagdhunde laufen durch die Wälder, scheuchen das Wild auf und meistens wird nichts geschossen. Die meisten Ausflüge enden enttäuschend, nur damit die Jäger in die Häuser einkehren und dort noch weiter enttäuscht werden. Einziger Lichtblick, den die Jagd den leidenden Männern in den Ardennen bieten kann, ist die ruhige und konfliktfreie Natur. Die Momente, da die Jäger im Gehölz sitzen, auf Signale, brechende Äste, die Hunde und ihre aufgescheuchte Beute horchen, sind die einzigen Glückseligkeiten, die ihnen vergönnt sind.
In Der Untermieter gehen zwei Männer auf die Jagd, beide nicht mehr jung und beide lieben die selbe Frau. Einer ist mit ihr verheiratet, der andere hatte eine Affäre mit ihr und wollte sie dazu bewegen sich scheiden zu lassen, weit weg ein neues Leben beginnen. Aber sie blieb bei ihrem Gatten. Die beiden Männer blieben Freunde, der enttäuschte Liebhaber aber verschmerzte nicht die verlorene Hoffnung auf ein besseres Leben und flüchtete sich in den übermäßigen Alkoholgenuss. Während des Jagdausfluges erschießt er sich und setzt dem Leiden ein Ende. Sein Geist jedoch bleibt zwischen den beiden Eheleuten, weil die Frau immer noch Sympathie für ihn empfand. In Gedanken wird sie ihn bewahren und ewig um ihn trauern. Für seinen Selbstmord war nur er verantwortlich, aber die beiden Zurückgelassenen waren eng mit seinem Leid verbunden, auch mit seinem Glück, welches er letztlich unerreichbar fand. Vorher hatte er noch einen jener Momente der Ruhe, als er mit dem Freund und Konkurrenten in den Wald ging und sich in die Ruhe der Natur sinken ließ, während die jungen Jäger das Wild umzingeln und aufscheuchen wollten.
Die Liebenden von Allerheiligen handelt von einem Paar, welches kurz vor der Trennung steht, sich aber vor dem entscheidenden Moment fürchtet. Sie spüren das Unausweichliche und versuchen sich im Überwinden, auch wenn es aussichtslos ist. Der Mann verschwindet für eine Nacht, schlaft bei einer anderen Frau im Bett, da diese sich sehr einsam fühlt und dem verstorbenen Gatten nachtrauert. Der Ersatzmann schlüpft in den Pyjama des Toten, legt sich neben die Frau, die den Verlust nicht überwinden konnte und versuchte die Aura zu bewahren, die ihr Zusammenleben mit dem Geliebten ausmachte. Als er in sein eigenes Heim einkehrt, gesellt sich der Mann zu seiner Partnerin, glaubt alles in Ordnung, bis sie ihm eröffnet, dass es kein weiteres Zögern geben kann und sie ihn verlassen wird.
Keine Lektüre für Freunde der Freude. Die Erzählungen sind allesamt traurig oder niederschmetternd, die emotionale Nähe zwischen den Personen erweist sich jedes Mal unfähig Gutes hervorzubringen. Mit viel Gefühl und Ruhe lässt der Autor seine Figuren agieren, lässt sie dem Leiden entgegenstreben oder gar in ihm versinken.
Juan Gabriel Vásquez, Schöffling & Co.
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