Lebendige Geschichte: Das 20. Jahrhundert durch die Augen Ethels und Ernests
Das 20. Jahrhundert. Eine aufregende Zeit, angefangen mit dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise, weiter über den Zweiten Weltkrieg hin zu besseren Zeiten, der Wirtschaftswunderzeit, hilfreichen Erfindungen und kommendem Wohlstand. Viele Wechsel und Wandel fanden statt, die heute in Geschichtsbüchern nachgelesen werden können. Wirklich miterlebt hat wohl kaum noch einer der heute Lebenden die vielen Ereignisse und kennt sie, wenn überhaupt, nur noch aus Erzählungen der Großeltern oder dem Schulunterricht. Raymond Briggs, selbst geboren 1934, erlebte selbst als Kind noch die Zeit des Zweiten Weltkriegs und die anschließenden gesellschaftlichen Umbrüche mehr oder weniger bewusst mit. Seine Eltern, geboren 1855 und 1900 und beide 1971 gestorben, spürten die vielen Wandel am eigenen Leib. Wie sie diese Zeiten erlebten, zeichnet und erzählt Briggs in seiner Graphic Novel Ethel & Ernest – Eine wahre Geschichte, die gleichzeitig eine Hommage an seine Eltern ist.
Ethel und Ernest lernen sich in den 30er Jahren des 20.Jahrhunderts kennen. Ethel ist Hausmädchen, während Ernest sein Geld als Molkereiangestellter verdient. Beide entstammen ärmlichen Verhältnissen und erarbeiten sich ihr Glück Stück für Stück, beginnend mit einem eigenen Haus, in dem sie sich über Bad, Schlafzimmer und Garten freuen. Erst spät wird ihr einziges Kind, Raymond geboren, die Krönung ihrer Liebe. Der Zweite Weltkrieg bringt viele Sorgen und Entbehrungen mit sich, die sie glücklicherweise unbeschadet überstehen. Nach der schweren Zeit beginnt auch für sie der Luxus, der in Form von Telefon und eigenem Fernseher in ihr Leben einzieht. Vor allem der studierende Sohn wird zum ganzen Stolz der Familie, wenn auch der Besuch der Kunsthochschule und die Ankündigung, dass er mit seiner Freundin keine Kinder haben möchte, erst einmal nicht in das Weltbild der Eltern passt. Humorvoll und voller Liebe bringt Raymond Briggs die Geschichte seiner Eltern zu Papier, die er durch seine farbenfrohen Zeichnungen zumindest wieder ein wenig lebendig werden lässt.
Raymond Briggs, geboren 1934 in London, ist einer der bekanntesten britischen Illustratoren und Autoren. Seine Bucher "Oje, du Fröhliche" und "Der Schneemann" gelten als Klassiker des Kinderbuchs. Doch auch seine Comics wie "Wenn der Wind weht" wurden vielfach ausgezeichnet und verfilmt.
Mit Ethel und Ernest blickt Raymond Briggs in Form einer Graphic Novel durch die Augen seiner Eltern auf das 20. Jahrhundert zurück. Mit viel Farbe und detailreichen Zeichnungen, wie sie einem nur selten in modernen Graphic Novels begegnen, zeichnet und erzählt er von Kriegen und Ängsten, sozialem Wandel und den damit verbundenen Hoffnungen und der großen Liebe zwischen seinen Eltern. Seine Eltern, beide noch von der alten Schule, erleben die Zeiten voller Erstaunen und Verwunderung, blicken teilweise naiv und voller Zuversicht in eine Welt, die sich immer schneller verändert. Dies schafft er mit viel Humor, es gibt kaum eine Seite, auf der er keinen Witz einbaut. Was ihm dabei meisterhaft gelingt: Seine Späße bleiben stets respektvoll und necken seine Eltern auf liebevolle Art und Weise, die seine Wertschätzung nur noch deutlicher werden lassen. So erzählt er beispielsweise von ihrer Sicht auf seine Arbeit, sein Aussehen und das seiner Freundin: "Ethel: Schau dir die beiden nur an! Sie mit ihren SCHWARZEN Strümpfen! Und er mit seinen HAAREN! Ernest: Sind eben KUNSTSTUDENTEN, Schatz. Wenn er mal RICHTIGE Arbeit hat, legt sich das schon. Ethel: Mit SOLCHEN Haaren kriegt er nie richtige Arbeit!"
Alles in allem ist Ethel & Ernest eine Graphic Novel, die nicht nur künstlerisch, sondern auch erzählerisch sehr lesenswert ist. Raymond Briggs ist ein Werk voller Herzlichkeit und Esprit gelungen, dass gleichzeitig sehr unterhaltsam und lustig, andererseits aber auch eine interessante geschichtliche Sichtweise beinhaltet!
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