Auf der Suche
Wohin soll die Reise des Lebens gehen? Eine schwierige Frage, auf die so schnell wohl kaum einer eine zufriedenstellende Antwort geben kann. Hinzukommt, dass viele Menschen auch nicht wissen, was sie vom Leben erwarten. Die nächsten fünf bis zehn Jahre lassen sich überschauen, planen, was danach kommt, wer weiß das schon? So viele Möglichkeiten stehen dem modernen Menschen offen, dass es schwerfällt, sich festzulegen. Aber wozu auch? Warum lassen wir uns nicht einfach überraschen und vertrauen darauf, immer die richtige Richtung zu finden?
Pfeile. Immer wieder Pfeile. Ein Mann auf der Suche. Aber wonach? Er folgt dem Pfeil, egal was kommt. Von einem Pfeil bis zum nächsten. Ist der Pfeil auf den ersten Blick nicht zu erkennen oder versteckt, er wird suchen, bis er ihn gefunden hat. Immer auf der Suche nach der richtigen Richtung. Fragen kommen auf: Wie kommt es, dass jemand blind einem Pfeil folgt, ohne das Ziel zu kennen? Die Herkunft des Pfeiles zu wissen? Neugierde? Vertrauen, dass der Pfeil die richtige Richtung ist oder die Angst, aus eigener Kraft den richtigen Weg nicht zu finden? Eins ist sicher: Egal was passiert, er folgt dem Pfeil...
Richtung ist das neueste Werk des französischen Künstlers Marc-Antoine Mathieu, der 1959 in Anthony, Frankreich geboren wurde. Sein erstes Album "Paris-Mâcon" veröffentlichte er 1987 als eine Gemeinschaftsarbeit mit seinem Bruder Jean-Luc. 1989 begann er die Arbeit an seiner mehrfach preisgekrönten Serie um den Angestellten im Ministerium für Humor, Julius Corentin Acquefacques. Parallel veröffentlicht er immer wieder Einzelbände und ist als Ausstellungsdesigner für eine Grafikagentur tätig. Dass er sich mit großer Vorliebe mit den vielfältigen gestalterischen Möglichkeiten des Comics auseinandersetzt und die wechselseitige Beziehung zwischen Form und Inhalt ihn besonders interessiert, wird in seinem neuesten Werk, dass völlig ohne Worte auskommt, mehr als deutlich.
Marc-Antoine Mathieu erzählt mit seiner Graphic Novel Richtung eine Geschichte ohne jegliche Worte. Über 256 Seiten lässt er seinen Protagonisten stumm durch ein Labyrinth von Pfeilen irren, die ihn quer durch die Wüste, durch Gebirge oder über Strände führt. Egal ob Tag oder Nacht, der Pfeil gibt den Weg vor. Auf die Idee seinen eigenen Weg zu gehen, kommt er nicht. Ist der Weg auch noch so beschwerlich, führen ihn die Pfeile durch öde und einsame Gebiete, er bleibt ihnen treu. Selbst ohne Ziel, folgt er den Pfeilen immer weiter. Führen sie ihn zu einem Ziel? Kennen sie vielleicht sogar sein Ziel? Allein durch seine Zeichnungen erzählt Mathieu seine philosophische Geschichte, die allein durch Bilder in der Lage ist, viele Fragen zu stellen. Warum folgt die Figur dem Pfeil? Wann reicht es ihr, vom Pfeil scheinbar immer wieder an der Nase herumgeführt zu werden? Gibt es überhaupt ein Ziel? Fragen, die sich auf das Leben übertragen lassen. Folgen wir alle blind einem Pfeil? Haben wir einen Plan vom Leben und nehmen die Richtung selbst in die Hand? Eins ist auf jeden Fall sicher: Mathieu eröffnet mit Richtung viel Spielraum für Interpretation, die der "Leser" oder in diesem Fall eher der Betrachter, individuell vollziehen muss.
Alles in allem liefert Marc-Antoine Mathieu mit Richtung ein innovatives Werk, welches ohne Worte in der Lage ist, viele Fragen zu stellen und dadurch, dass keine Antworten gegeben werden, zum Nachdenken anzuregen und in die Tiefe geht. Auf diese Weise ist Marc-Antoine Mathieus Graphic Novel zu einem künstlerisch und auf überraschende Weise auch inhaltlich interessantem Werk geworden, das trotz seiner Wortlosigkeit in der Lage ist, philosophische Fragen zu stellen.
Marc-Antoine Mathieu, Reprodukt
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