Zwischen zwei Frauen
Kann man gleichzeitig zwei Frauen lieben? Der Protagonist aus Diane Brasseurs Roman Der Preis der Treue steht vor gerade dieser Frage. Er erzählt, wie er sein Leben splittet: Während der Woche lebt der Anwalt in Paris an der Seite der jungen Geliebten Alix, das Wochenende verbringt er mit seiner Frau und der Tochter in Marseille. Das Doppelleben zollt seinen Tribut. Immer öfter stellt sich der Protagonist die Frage, wo seine Zukunft liegt. Fest entschlossen, seine Frau zu verlassen und sein Glück ganz an der Seite von Alix zu suchen, gerät er ins Wanken, sobald er in die vertrauten Bahnen zurück gekehrt ist. Er erkennt, dass die junge Geliebte ihn im gewissen Sinne jung erhält – er aber dafür einen hohen Preis zu zahlen hat. Denn es wird ihm auch bewusst, dass Alix auch für jüngere Männer attraktiv ist und er einst auf verlorenem Posten stehen könnte. Also tendiert er dazu, reumütig ganz in den Schoss der Familie zurück zu kehren und Alix zu vergessen. Doch die Eifersucht spielt ihm einen Streich: Der Protagonist vermag es nicht, der jungen Geliebten zu entsagen und sich auf seine Ehe zu beschränken. In diesem Dilemma gefangen versucht der Mittfünfziger, eine Lösung zu finden, bei der er nicht verliert.
Ein Sympathieträger ist der Protagonist nicht gerade. In salopper Ich-Form erzählt er dem Leser von seiner Unentschlossenheit, zu welcher der beiden Frauen er sich nun stärker hin gezogen fühlt. Dabei entpuppt er sich sehr schnell als Egoist. Es ist nicht die Liebe, die ihn bei den beiden Frauen hält, sondern die mangelnde Bereitschaft, auf eine von ihnen zu verzichten. Im vollen Bewusstsein, dass er damit beide Frauen verletzt, zieht er sein Doppelleben weiter. Alix leidet darunter, dass ihr Geliebter die Feiertage mit seiner Frau verbringt. Diese wiederum scheint zu ahnen, dass es im Leben ihres Mannes noch jemanden gibt. Die Autorin, die sich hier in die Rolle des betrügenden Ehemannes versetzt, stellt die Welt der beiden Frauen sehr geschickt dar. Sie macht sichtbar, dass Ehefrau wie Geliebte im Prinzip Betrogene sind. Denn die Unfähigkeit des Anwalts, sich für eine der beiden Frauen zu entscheiden, legt sich drückend auf die jeweilige Beziehung nieder.
Es ist an sich eine kurze Zeitspanne, die die Autorin hier umreißt. Sie vermag viel in diese Zeit hinein zu setzen, zeichnet die Ménage à trois geschickt nach. Doch leider verharrt sie in diesem ersten Bild, das sich schon nach wenigen Seiten abzeichnet. Über den ganzen Roman hinweg schaukelt nun die Meinung des Protagonisten zwischen den beiden Frauen hin und her, ohne wirklich zu einem vernünftigen Ende zu kommen. So wird sich mancher Leser nach der Schluss-Szene unvermittelt fragen: "Was kommt jetzt!" So unschlüssig, wie der Protagonist über das ganze Buch hinweg war, so bleibt das Ende in der Luft hängen. Die Leser können sich selber zurechtlegen, wie die Geschichte enden könnte. Je nach Sympathie und Verständnis für den Protagonisten mag man sich den Ausgang nach eigenem Gusto festlegen.
Diane Brasseurs Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Sie schreibt in kurzen, oft abgehackten Sätzen und lässt viel Raum zwischen den Aussagen, so dass man sich manchmal zusammen reimen muss, wovon der Protagonist gerade spricht. Zusammen mit dem kurzen Roman, der auf den ersten Blick viel, auf den zweiten etwas weniger viel erzählt, ist der Schreibstil wenig dazu angetan, diesen Roman zu etwas Außergewöhnlichem zu machen. Das Hin- und Her ermüdet, die einfach Wortwahl ist zwar unproblematisch zu lesen, jedoch dadurch auch unspektakulär und ohne Überraschungen. So bleibt Der Preis der Treue eine Lektüre, die zwar etwas Langeweile vertreiben kann, nicht aber zu den Werken gehören dürfte, die man immer wieder gerne zur Hand nimmt. Dazu hätte ein wenig mehr Tiefgang gehört.
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