Zwei trauernde Frauen
In einer herzzerreißenden Geschichte über Liebe und Vertrauen, sowie Verantwortung, erzählt Catherine McKenzie von einer vielschichtigen Katastrophe und ihren unvorhersehbaren Folgen, die das Leben verschiedener Personen durcheinanderbringt. Eine Geschichte, die einfach geschrieben ist und sich nah am realen Leben bewegt, dabei aber viel Pathos und Drama bietet.
Jeff muss einen Kollegen feuern. Nicht irgendeinen Kollegen, sondern den Mann, der ihn eingestellt hat, der immer freundlich und sympathisch ist. Es fällt ihm schwer, aber es bleibt ihm keine Wahl. Die Berater hatten festgestellt, dass die Abteilung überbesetzt ist und dass jener Mann gehen müsse, der seit zwanzig Jahren in der Firma tätig war. Das Gespräch ist beklemmend, Jeff kann es kaum über sich bringen, die Kündigung auszusprechen, aber letztendlich wird alles gut, sein Gegenüber erkennt die Situation und macht die Dinge nicht unnötig schwerer, sondern hilft ihm sogar bei der unangenehmen Handlung. In zwei Pappkartons wird alles gepackt, dann heißt es Abschied nehmen. Jeff ist erleichtert, dass er die Sache hinter sich gebracht hat, aber auch mitgenommen, weshalb er entscheidet, nicht mit dem Wagen nach Hause zu fahren, sondern zu Fuß den Weg antritt. Und dann verschwindet er.
Jeffs Frau macht sich zuerst keine Sorgen, sie ist daheim, mit dem Sohn, in Gedanken verloren. Als es Abend wird und die Pizza aufgegessen ist, wird sie langsam wütend auf ihren Mann, der sich nicht meldet, nicht auf ihre Nachrichten reagiert und nicht ans Telefon geht. Böses ahnt sie nicht. Als später ein Streifenwagen vor ihrem Haus hält, erstarrt sie jedoch. Ohne es zu sagen, weiß sie, dass Jeff etwas zugestoßen ist. Paralysiert verharrt sie in der Küche, der Sohn öffnet die Haustür und steht den beiden Polizisten gegenüber, die die schlechte Nachricht überbringen.
Zusätzliche Brisanz erhält die Geschichte durch die Tatsache, dass Jeff eine Affäre hatte. Eine Frau mit Kindern, die ihn liebte, und nach dem Verschwinden des Liebhabers der Verzweiflung nahe ist, denn anders als Jeffs Frau, kann sie ihre Sorgen mit niemanden teilen, muss sich verstecken und den Schmerz aushalten.
Die Autorin erzählt eine emotionale Geschichte, in der viel vergangene Liebe, Zuneigung, aber auch Schmerz zu finden sind. Die Biographien der beteiligten Personen werden nach und nach erzählt, die unterschiedlichen Beziehungen entstehen langsam und sind gut zu beobachten. Insgesamt ist der Aufbau des Buches wenig überraschend; voraussagen lassen sich die Ereignisse nicht, aber der Verlauf der Tragödie, sowie die zahlreichen Einschübe mit Rückblenden, sorgen selten für Herzrasen. Manchmal stören auch die emotionalen Entwicklungen, die zu einseitig und vorhersehbar sind. Trotzdem bleibt es eine bewegende Geschichte, die seine Anhänger finden wird.
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