Johnny und Jean

  • Göttingen: Wallenstein, 2014, Seiten: 208, Originalsprache
Johnny und Jean
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Judith Fuchs
891001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2015

Lügst du? - Nein, ich frisiere die Realität auf.

Johnny und Jean kennen sich mehr oder weniger von früher. Sie waren zwei Jugendliche in einem Dorf.
Nach den letzten Schulsommerferien begegnen sie sich zufällig beim Kunststudium in einer größeren Stadt wieder. Das heißt, erst mal bei der Aufnahmeprüfung. Denn Johnny braucht einen zweiten Anlauf im nächsten Jahr. Aber dann hat auch er es geschafft - mit seinen unglaublich detailgetreuen Fischen. Jean ist da schon längst eine namenhafte Hausnummer. Vielleicht hat er es durch seinen bereits erahnten Höhenflug gar nicht nötig, Johnny von damals wiederzuerkennen. Die Freundschaft muss also erarbeitet werden. Dies gelingt zum Einen durch eine Flasche wohlschmeckenden Pastis in der ranzigen Bar im Ort, welcher im Übrigen bis zuletzt keinen Namen erhält. Zweitens ist Jeans Fantasie so abenteuerlich, ausgeschmückt und witzig, dass er daraus den Mut schöpft, auf Johnny zuzugehen.

Künstlerisch bleibt Jean stets mindestens drei Schritte voraus. Während er bereits internationale Bekanntschaften schließt und sich mit Galeristen streitet, kämpft Johnny in der Aktmalerei gegen Schweiß und Zittern, um die richtige Technik. Außerdem muss er erst noch lernen, wie weiße Wände bespannt werden. Dem Respekt vor weißen Blättern kann Johnny nicht ignorieren und verweilt eine Weile vor ihnen. Doch der sprichwörtliche Knoten platzt und ratz-fatz werden die Blätter bunt. Die Motive bleiben Geschmackssache.

Menschlich kommen sich die beiden immer näher. Sogar so nahe, dass sie unwissentlich von derselben Frau verführt wurden. Das Kunststudium soll selbstredend die Türen der Welt öffnen. Zwischenstopp ist dabei Paris. Das große Ziel jedoch ist für beide New York. Und sie werden ihren Weg dorthin gehen. Beide werden ankommen. Auf ihre eigene Art. Einer über seine erste kleine Ausstellung in einer Art Besenkammer. Der Andere durch seinen Einfallsreichtum aus jeder Gelegenheit eine künstlerisch wertvolle Situation zu kreieren. Und einer der beiden wird vollkommen abrupt die Stadt wieder verlassen, ja gar verschwinden. Das hebt ihn jedoch nicht aus der Erzählung. Er wirft dadurch beinahe mehr Rätsel auf als zuvor.

Das Buch lebt von Johnnys farbenfroher Fantasie. Gespräche mit Jean, Sex mit Frauen, Unterhaltungen mit den Mitbewohnerinnen, Charakterzüge und Eigenarten einzelner Wegbegleiter werden fabuliert. Die Gedanken werden so nahtlos und unverhofft mit der Realität verwoben, dass eine Trennung teilweise utopisch erscheint. Aber die Trennung der Welten ist auch nicht notwendig, nicht mal unbedingt wünschenswert. Schließlich lebt Johnny in eben diesen Sphären. Und der Leser hat so die Möglichkeit an dieser schillernden Art des Entwicklungsweges teilzunehmen. Nur zu gern verliert man sich in den Fantasiegesprächen, um das eine oder andere Mal mit einem Dämpfer in die Realität zurückgeholt zu werden. Der eine (Gedanken-)Raum bildet dabei die Balance zum anderen (Realitäts-)Raum, um sich in ihm bewegen und behaupten zu können. Das Fernweh ist eine zusätzliche treibende Kraft, sich selbst zu finden. Das Streben nach Anerkennung und sich selbst sorgt für eine Rastlosigkeit, die die beiden Protagonisten um die Welt treibt.

Teresa Präauer bringt dem Leser auf leichte und kurzweilige Weise die künstlerische Welt näher. Dabei werden lediglich Nuancen angeschnitten, Namen und Motive genannt, in den meisten Fällen nicht erläutert. Diese Darstellung regt durchaus dazu an, (erneut) über die Alten Meister, Cranach und Co. nachzudenken. Alle namenhaft erwähnten Künstler genauer kennenzulernen, wird dabei freilich eine schwierige Aufgabe sein. Es sind schlichtweg zu viele. Das Namensbingo wird so weit getrieben, dass Jean und Johnny selbst so gar nicht existieren. Beide Namen haben sie sich selbst gegeben und werden im Buch nicht durch die realen ergänzt. Wenn der Leser erfährt, dass beide Namen nicht die eigentlichen sind, kann er schon erahnen, wie stark der Roman von Visionen und Wunschträumen lebt.

Herrlich unbeschwert beschreibt Prääuer den Konflikt mit sich selbst anhand ihres erzählenden Protagonisten Johnny. Dabei erhalten vor allem zwischenmenschliche Erfahrungen ihren Platz. Werden diese nicht erlebt, müssen sie eben durch die Fantasie das Leben prägen und gestalten. Wie wunderbar erscheint einem die Erinnerung, sich in den eigenen Gedanken zu verlieren. Denn Johnny ist nicht einfach abwesend oder träumt, nein er denkt beispielsweise an Wassernixen. Wie schön! Das hilft ihm auf seiner Suche nicht zwingend weiter, belebt diese aber ungemein. Im Sommer reist er mit dem Zug durch Europa, was ihm vermutlich schon eher hilft. So jugendlich und modern die Sprech- und Denkweise im Roman daherkommt, desto erfrischender ist die Erkenntnis, dass weder Smartphone noch Laptop erwähnt werden. Probleme werden durch (imaginäre) Gespräche und Taten gelöst. Der Verlauf der Handlung birgt dabei wenige Überraschungen. Obwohl – mit dem Ende war eigentlich nicht zu rechnen.

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