Plankton. Das Büro 3
- Verbrecher
- Erschienen: Januar 2015
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- Berlin: Verbrecher, 2015, Seiten: 959, Übersetzt: Gerd Busse, Bemerkung: mit einem Nachwort von Gerbrand Bakker
Wahrheitsentblätterung
Der dritte Band des sieben Bücher umfassenden Romanwerks "Das Büro" (Het Bureau) ist mit Plankton betitelt. Das Buchpersonal wird gegenüber dem vorherigen Band um mehr als 30 Personen erweitert. Erstreckte sich der kürzere zweite Band noch über acht Jahre, erfassen die rund 960 Seiten von Plankton gerade mal das Ende von 1972 und die drei folgenden Jahre bis 1975.
Die Hauptfigur der Büro-Reihe, der frühere Lehrer und heutige Leiter der Volkskunde-Abteilung, Maarten Koning, ist weiterhin verheiratet mit Nicolien, der seine Arbeit noch immer nicht gefällt. Maarten erlebt Schicksalsschläge, den ehemaligen Direktor Beerta erwischt es ganz hart.
Im wissenschaftlichen Kontext tut sich einiges. Die mit Professor Pieters, Volkskundler aus Löwen und Stadtdirektor von Antwerpen, gemeinsam herausgegebene Zeitschrift "Ons Tijdschrift" ist Gegenstand von Auseinandersetzungen, nicht zuletzt über die redaktionelle Ausrichtung.
Die Arbeit über Weihnachtsbäume ist abgeschlossen, die am Europäischen Atlas wird fortgesetzt. Maarten forscht über die Schaukelwiege im ausgehenden 19. Jahrhundert, seine Kollegin Sien de Nooijer, geborene Flipse, über die Verbreitung von Speisefetten. Ein Dokumentarfilm über alte bäuerliche Traditionen wird produziert. Das Ergebnis dokumentiert, dass keine Profis am Werk waren.
Voskuil bemüht sich nicht, komisch zu schreiben, konstruiert weder (herkömmliche) Spannungsbögen noch Pointen. Aber dennoch ist der Roman voller Komik, der Art von Komik, die den absurden menschlichen Alltag bestimmt. Der Büroalltag ist vielleicht nur ein Bild für den Alltag des Menschen schlechthin. Die Krone der Schöpfung äußert sich in der Bürokratie, ein System, welches um sich selbst kreist, seinen Sinn folglich in der Selbstreproduktion sieht, woran in die Außenwelt hinüberreichende Tentakel nichts ändern. Der Büroalltag ist nicht sinnfrei oder sinnentleert, was voraussetzt, dass er einmal Sinn gehabt haben muss, sondern sein Sinn liegt in eben dieser Selbstumkreisung.
Dabei stehen Streitereien, Intrigen, Personalpolitik, Eifersüchteleien, wissenschaftliche Arbeit und Fragen wie: Ist Sackhüpfen eine Tradition? gleichwertig nebeneinander, geben dem Alltag und dem Leben Struktur und Sinn. Da ist es folgerichtig, dass wissenschaftlicher Fortschritt mitunter weniger Erkenntnis- denn Emotionsorientierung aufweist.
Der langweilige Büroalltag ist wieder durchsetzt mit einigen absurden Ereignissen. Frau Slofstra kann es nicht mehr mit ihrem Mann aushalten, wohl aber mit dessen Rente, weshalb sie nach einer – legalen - Möglichkeit sucht, beide voneinander zu trennen. Der Versuch, eine Hummel, die sich in den bürokratischen Raum verirrt hat, wieder ins Freie zu setzen, führt zu einer Diskussion darüber, ob man sie nicht einfacher töten könne, zumal es ja genug von ihnen gebe, wobei die Diskussion in die Feststellung mündet, Menschen gebe es ebenfalls zur Genüge, sogar viel zu viele.
Der Begriff des Plankton ist mehrfacher Sinnträger. Er bezieht sich auf die Volkskundler und ihre Existenz im Büro, auf eine der Hauptfiguren der Reihe, die in diesem Band an Demenz leidet. In der Reihe gibt es Arbeitsausfälle wegen Krankheiten, die sich als Abweichung von Wohlbefinden definieren, weshalb auch schon mal bei leichtem Kopfschmerz ein Mitarbeiter tagelang zuhause bleibt. In Plankton gar könnte ein Mitarbeiter sich im Vorfeld einer möglichen Erkältung befinden, möchte das Risiko, daran zu erkranken, jedoch nicht eingehen und bleibt aufgrund der Schlechtwetterlage lieber daheim.
Wie in einer echten Soap Opera bekommt man als Leser und Leserin überall Zugang. Man kann die Reihe chronologisch lesen, kann mit einem beliebigen Band anfangen, kann irgendwo eine Seite aufschlagen. Die Entwicklung über die Zeit entgeht einem dabei, aber man richtet sich schnell im Büro ein, fühlt sich bald heimisch.
Das Romanwerk stellt keine Fragen, liefert keine Problemlösungen, es ist ein Zeitroman, in dem, um einen Gedanken von Proust aufzugreifen und abzuwandeln, Irrtümer erzeugt werden, ohne als solche benannt zu werden und deshalb für die Wahrheit genommen werden können. Der Roman liest sich wie ein Sitzungsprotokoll der Wirklichkeit, sollte aber nicht mit dieser verwechselt werden.
Plankton enthält ein Nachwort von Gerbrand Bakker, eine editorische Nachbemerkung und eine sieben Seiten umfangreiche Liste häufig vorkommender Personen.
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