Eine Therapie für Aristoteles

  • DuMont
  • Erschienen: Januar 2016
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  • New York: Vintage, 2015, Titel: 'How to write a novel', Originalsprache
  • Köln: DuMont, 2016, Seiten: 352, Übersetzt: Eva Kemper
Eine Therapie für Aristoteles
Eine Therapie für Aristoteles
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Kathrin Plett
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Belletristik-Couch Rezension vonJun 2016

Wie man einen Roman schreibt oder Schreiben als Therapie

Tagebuch schreiben soll ja angeblich eine heilende Wirkung auf die Psyche haben. Es soll dabei helfen, bewusster zu leben, emotional entlastend wirken und dabei helfen, Erinnerungen zu bewahren. Es soll außerdem eine kritische Auseinandersetzung mit eigenen Gedanken und Gefühlen ermöglichen und zu einer Auseinandersetzung mit Ängsten und Sorgen führen. Viele Jahre später wieder aus den tiefen von Schubladen, Nachtschränken oder aus Dachbodenkisten hervorgekramt, kann es wie eine Reise in vergangene Zeiten wirken, Momente wiederbringen, die ansonsten längst vergessen gewesen wären. Auch wenn so mancher wohl im ersten Moment von dem, was er Jahre zuvor auf Papier gebracht hat, peinlich berührt sein wird, vielleicht das Fluchen über ungerechte Lehrer, das gemeine Verhalten der besten Freundin oder erste Liebesgeständnisse in Jugendjahren, ist es doch etwas sehr persönliches und wertvolles, eine interessante Chronik über vergangene Zeiten. Denselben Effekt kann auch ein autobiografischer Roman haben, nur mit dem großen Unterschied, dass das Geschriebene nicht geheim, sondern öffentlich lesbar wird. Genau diese Idee hat Aristoteles, die sich ständig um ihre überforderte Mutter kümmern muss und auch sonst aus einer nicht alltäglichen Familie kommt. Für sie soll das Schreiben zur Therapie werden. Und so beginnt sie mithilfe des Buchs "Romane schreiben in 30 Tagen" über sich und ihre Familie einen Roman zu verfassen...

Aristoteles Thibodeau, genannt Aris, ist zwölfeinhalb Jahre alt und anders, als es der Name vermuten lässt, kein Junge. Da Schreiben ihre große Leidenschaft und sie der Auffassung ist, in diesem Bereich besonders viel Talent zu haben, beschließt sie, auch als Therapie für sich, einen Roman zu verfassen. Eine Therapie ist ihrer Meinung nach notwendig, da sie seit dem Tod ihres Vaters in einer eher mäßig interessanten Kleinstadt festsitzt, wo sie sich um das komplizierte Liebesleben ihrer Mutter kümmern muss. Nicht zu vergessen ihr Job als Koerzieherin ihres kleinen Bruders Max, für dessen Therapie schon das gesamte Geld der Familie draufgeht, sodass für sie nichts mehr übrig bleibt. Außerdem ist da noch ihr eigene Liebesbeziehung, um die es seit dem Umzug ihres Freundes nicht zum Besten steht.

Mithilfe des Ratgebers "Schreiben Sie einen Roman in 30 Tagen!", den ihre Mutter ihr als Therapieersatz in die Hand gedrückt hat, will sie jetzt einen Bestseller über ihre schräge und ungewöhnliche Familie schreiben. Nebenbei versucht sie, ihrer Mutter klar zu machen, dass sie nicht weiter in dubiosen Online-Foren nach dem perfekten Mann suchen muss und der Handwerker und Nanny-Ersatz Penn Mac-Guffin bereits der ideale Kandidat ist. Als jedoch ein Unfall einen düsteren Teil der Thibodeau-Familienhistorie enthüllt, muss Aris erkennen dass das Leben doch häufig anders verläuft, als geplant...

Melanie Sumner, geboren 1963, ist eine amerikanische Autorin. Sie veröffentlichte bereits mehrere Romane, ihre Prosa erschien in diversen Magazinen, darunter The New Yorker. Ausgezeichnet wurde sie u. a. mit dem Whiting Writers' Award und dem New Mexico Book Award. Melanie Sumner lebt in Georgia und lehrt an der Kennesaw State University.

In ihrem neuesten Roman erzählt Melanie Sumner die ungewöhnliche Geschichte der zwölfeinhalb Jahre alten Aristoteles. Aus der Perspektive ihrer jungen Protagonistin schreibt sie über ihr chaotisches Leben, welches vor allem durch ihre überforderte Mutter und das Erziehen ihres verhaltensauffälligen Bruders geprägt ist. Als Therapieersatz für sich selbst will Aris nun einen Roman verfassen, in dem sie sich ihre Probleme und Sorgen von der Seele schreiben kann. Auf diese Weise ergibt sich eine interessante Mischung aus biografischem Roman und Tagebuch, denn Aristoteles schreibt nicht nur über ihren Alltag, sondern kommentiert das Geschehen direkt. Sie gibt ihre Meinung zu den Ereignissen wieder, indem sie ihre Leser direkt anspricht, wie beispielsweise im Gespräch mit ihrer Lehrerin, die sich kritisch gegenüber ihrem Roman äußert:

 

"Wann gerät deine Protagonistin in eine Situation, die sie nicht bewältigen kann und deren Auswirkungen ihr Leben verändern?" "Na ja...", sagte ich und lächelte tapfer. Ich war gerade gestorben. Mein Körper war natürlich noch da, aber er war nur der Handschuh ohne die Hand. Sie kritisierte meinen Roman! Sie hasste ihn! Sie gab sich Mühe, nett zu sein, aber sie konnte ihn nicht ausstehen. Ich hasste ihn auch. Ich hasste mich dafür, dass ich ihn schrieb. Es blieb mir nichts anderes übrig, als ihn zu verteidigen.

 

Sumners Stil passt zur Wahl ihrer Erzählperspektive und stimmt mit der Sprache des Mädchens überein, wobei es stellenweise fraglich ist, ob die Gedanken und Gefühle nicht doch eher die einer 14- bis 15-jährigen als die eines zwölfeinhalb jährigen Mädchens sind.

Alles in allem macht es Spaß, den Roman zu lesen, der durch seine Komik und seine charmante Erzählerin besticht. Melanie Sumners Einfälle sind unterhaltsam und ergeben einen lesenswerten Roman, der Spaß macht und sich bestens als leichte Sommerlektüre eignet.

Eine Therapie für Aristoteles

Melanie Sumner, DuMont

Eine Therapie für Aristoteles

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