Vermeintliche Idylle in französischem Dorf
Auf dem Land, da ist die Welt noch in Ordnung. So lautet ein weit verbreitetes Klischee. Da gibt es noch Natur, weite Felder und Wälder, alles ist familiär und die Menschen kennen sich noch persönlich. Das Leben ist ruhiger, der Alltag weniger hektisch als im Großstadtdschungel, wo alles schnell und ohne Zeit erledigt werden muss. Ganz so sieht das Leben auf dem Land in der Normandie nicht immer aus. Zwar ist die Umgebung herrlich, vor allem zur Apfelblütenzeit, wenn alle Bäume in voller Blüte stehen und von weitem leuchten, doch hat auch diese Gegend die Zeit eingeholt. Die schönen Apfelbäume werden zur Cidre Produktion benötigt, der Alltag ist geprägt von Ernte, Verarbeitung und geschickten Verhandlungen mit möglichen Handelspartnern oder Banken, bei denen Kredite für Expansionen beantragt werden müssen. Dass aber auch Traditionen nicht verloren gehen dürfen und es wichtig ist nicht zu vergessen zu leben, erzählt Carsten Sebastian Henn in seinem Roman Das Apfelblütenfest.
Lilou ist eine fröhliche und unbekümmerte junge Frau. Leider sieht es mit regelmäßigen Einkünften in ihrem Beruf als Heilpraktikerin manchmal nicht ganz so gut aus. Als sie auf einem ihrer Streifzüge durch die Gegend eine in einen Apfelbaum geritzte Nachricht findet, in der ein kleiner Junge eine Haushälterin für seinen Vater sucht, macht sie sich sofort auf den Weg, um sich durch diese Stelle Geld hinzuzuverdienen. Anders als erwartet ist der kleine Junge, der die "Anzeige" aufgegeben hat, längst erwachsen und eigentlich gar nicht auf der Suche nach einer Frau, die sich um Haus und Hof kümmert. Doch durch ihre gewinnende Art bekommt Lilou schließlich die Stelle bei Jules, der sich als ziemlich eigenwillig herausstellt. Widerwillig hat er nach dem Tod seines Vaters vor Jahren das alte Landgut übernommen, auf dem Calvados und Cidre produziert werden. Nach und nach öffnet sie Jules das Herz, sodass er immer mehr die Schönheit der Natur und die Liebe erkennen kann. Doch das Glück ist nicht von langer Dauer. Jules ist schwer krank und dann ist Lilou auch noch in einen Mord verwickelt...
Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, arbeitet als Schriftsteller, Weinjournalist und Restaurantkritiker. Er ist Chefredakteur des Gault&Millau WeinGuides sowie Redaktionsleiter Deutschland des Weinmagazins Vinum. Er ist Besitzer eines Riesling-Weinbergs in St. Aldegund an der Mosel.
Das Apfelblütenfest erzählt die Geschichte von Lilou und Jules, die auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten. Lilou ist lebenslustig, menschenoffen und liebt das Leben. Jules hingegen hadert. Er ist nicht zufrieden mit seiner beruflichen Situation, führt das Landgut mit den vielen Apfelhainen zur Herstellung von Cidre und Calvados mehr aus Pflichtgefühl als aus Leidenschaft, was sich auch an seinen durchschnittlichen Produkten erkennen lässt. Als er dann auch noch unheilbar erkrankt, scheint ihm das Leben nichts mehr zu bieten zu haben, bis Lilou sein Leben auf den Kopf stellt. Carsten Sebastian Henn ist mit seinem Werk eine unterhaltsame und romantische Sommerlektüre gelungen, die einiges an Herzschmerz in sich bereit hält. Detailreiche Landschaftsbeschreibungen wecken die Lust, selbst einmal zur Zeit der Apfelblüte die Normandie zu besuchen und selbst in das französische Landleben und die Calvados-Produktion einzutauchen:
"Die Wände hingen voll mit historischen Fotos der Cidre-Produktion, die mit jedem Schritt den Gang entlang ein älteres Datum aufwiesen. Lilou fühlte sich wie in einem Zeittunnel. Da sie sich dem Lager näherten, wurde auch der schwere, reife Duft des Calvados mit jedem Meter voller, als wäre sie ein Wurm, der sich im Apfel dem Kerngehäuse nähert."
Auch wenn der Roman zu Beginn sehr vorhersehbar erscheint, beinhaltet er doch einige Überraschungen, die aus Spannungsgründen an dieser Stelle nicht verraten werden sollen. Sprachlich ist die Geschichte leicht verständlich und eignet sich somit bestens für den Urlaub oder Balkon.
Insgesamt ein gelungener Liebesroman, der durch seinen romantischen Spielort und die schönen Landschaftsbeschreibungen besticht und der außerdem noch eine abwechslungsreiche Geschichte bietet.
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