Was wäre, wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten?
Was wäre, wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten? Unser Leben an entscheidenden Stellen noch einmal ändern könnten? Wäre es dann wirklich so viel besser gelaufen, hätte man manch übles Schicksal vielleicht noch abwenden und zum Besseren abändern können? Diese Frage wird sich vielleicht schon so mancher gestellt haben, nicht umsonst wird auf "Was wäre wenn...?"-Fragen oft gesagt: "spekuliere nicht was wäre wenn, an der Vergangenheit ist sowieso nichts mehr zu ändern und darüber nachdenken bringt nur Kopfschmerzen". Dennoch heißt es, kurz vor dem Tod ziehe das ganze Leben noch einmal an einem vorbei. Ob es wirklich so ist, lässt sich nur schwer nachprüfen. Zumindest ist es so bei Lucy, die sich nach einem schweren Autounfall auf der Schwelle zwischen Leben und Tod befindet...
Lucy kann sich eigentlich glücklich schätzen. Sie hat alles, was zu einem erfüllten Leben dazugehört. Ihr Mann liebt sie auch nach vielen Jahren Ehe wie zu Beginn ihrer Beziehung. Sie haben gemeinsam zwei tolle Söhne. Auch wenn ihr Mann vor kurzem seine Arbeit verloren hat, ist für ihn keine Welt untergegangen, stattdessen hat er sich mit einem eigenen Café für Surfer einen langersehnten Traum erfüllt. Lucy selbst ist Malerin, gibt Kurse und hatte bereits eigene Ausstellungen. Obwohl alles perfekt scheint, vermisst Lucy etwas. Oft fragt sie sich, ob sie glücklicher geworden wäre, wenn sie im Laufe ihres Lebens andere Entscheidungen getroffen hätte. Das Gefühl, dass ihre eigenen Wünsche und Träume irgendwann auf der Strecke geblieben und Mann und Kindern zum Opfer gefallen sind, nagt schwer an ihr. Erst ein dramatisches Ereignis lässt sie erkennen, wie sie zu dem Mensch geworden ist, der sie jetzt ist und wie erfüllt ihr bisheriges Leben war. Doch ist es zu dieser Erkenntnis vielleicht bereits zu spät?
Andrew Clover geht in seiner Geschichte einer Frage nach, die sich wohl schon viele gestellt haben, und gibt seiner Protagonistin Lucy die Chance, die gravierendsten Entscheidungen ihres Lebens noch einmal zu durchleben und mit einem anderen Ausgang zu betrachten. Besonders schwer lastet der Tod eines ehemaligen Freundes aus Studienzeiten auf ihr, der zeitweise ihre große Liebe war. Auch Jahre später noch gibt sie sich die Schuld an seinem Selbstmord und stellt sich vor, wie ihr Leben mit ihm ausgesehen hätte, ob sie ihn mit ihrer Liebe hätte retten können und nun durch ihr Nichtstun für seinen Tod mitverantwortlich ist.
Ein interessantes Thema, das sich der Autor für seinen neuesten Roman ausgesucht hat. Nach und nach taucht Lucy immer tiefer in ihre Vergangenheit ein. Erlebt Episoden aus ihrer Kindheit nach, die sie nun mit dem Wissen einer dreiundvierzigjährigen Frau ganz anders begreifen kann. Immer wieder lässt Clover seine Protagonistin zu unterschiedlichen Ereignissen in der Zeit vor- und zurückspringen. Durch den damit verbundenen Beginn eines neuen Kapitels lassen sich die Szenen jedoch gut unterscheiden. Immer wieder finden auch Abschnitte in der Gegenwart statt, in denen Lucy Vergleiche ihres aktuellen Lebens mit der Vergangenheit tätigen kann. Dadurch, dass Clover immer wieder den Erzählort wechselt und der Ausgang des Romans bis zum Schluss offen bleibt, fällt es schwer, den Roman aus der Hand zu legen.
Mit seinem zweiten Roman ist Andrew Clover ein lesenswerter Roman gelungen, der einerseits interessant zu lesen ist, gleichzeitig aber auch zum Nachdenken anregt. Denn Entscheidungen, die eventuell nicht mit voller Überzeugung getroffen wurden oder Schuldgefühle, die häufig vielleicht gar keine Begründung haben, tragen wahrscheinlich viele Menschen in sich und stellen sich dann die Frage: "Was wäre wenn...?"
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