Eddies Bastard
- New York: HarperCollins, 1999, Titel: 'Eddies´s bastard', Seiten: 367, Originalsprache
- Bergisch Gladbach: Lübbe, 2001, Seiten: 479, Übersetzt: Edith Walter
- Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2002, Seiten: 479
- Bergisch Gladbach: Lübbe, 2008, Seiten: 6, Übersetzt: Philipp Schepmann
Gebratene Mortadella für die Seele
Thomas Mann jr. hat mit dem Leben abgeschlossen. Sein Sohn Eddie ist tot, gefallen im Krieg. Weitere Kinder hat Thomas Mann nicht. Aber, wie er eines Morgens verblüfft feststellen muss, einen Enkel. Die unbekannte Mutter hat das Kind in einem Korb vor die Haustüre gestellt – auf einem Zettel einzig die Nachricht: Eddies Bastard. Zum Erstaunen seiner Freunde beschließt Thomas Mann, den Jungen aufzuziehen und in ihm die einst reiche und mächtige Sippe der Manns weiterleben zu lassen. Billy, wie er den Kleinen nennt, wächst unkonventionell auf – in einem Haus, das zwar vom einstigen Reichtum zeugt, aber längst dem Verfall preis gegeben ist. Und mit einem gebildeten Großvater, dem das Leben übel mitgespielt hat, der aber seinem Enkel viel zu geben hat. Bei gebratener Mortadella und wissenschaftlichen Entdeckungsreisen mit dem Großvater schließt Billy Bekanntschaft mit dem Leben. Während Billy heran wächst, entdeckt er nicht nur seine Gefühle für das Nachbarmädchen Anni, sondern auch die seltsame Geschichte seiner Vorfahren. Immer auf der Suche nach seiner Identität macht Billy bittersüße Erfahrungen.
Keine rührselige Moses-Adaption
Es ist nicht die rührende Adaption der Moses-Geschichte, die hier von William Kowalski präsentiert wird. Diesen Verdacht räumt der Autor schon nach wenigen Seiten aus. Zwar hat die Geschichte durchaus eine berührende Komponente, doch steckt dahinter eine tief in den zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Bereich reichende Erzählung, die gleichermaßen fasziniert wie fesselt. Die Bindung, die Großvater Thomas Mann mit seinem Enkel eingeht, steht auch für die weitverbreitete Hoffnung der Menschen, in ihren Nachkommen weiter zu leben. Es vermag zunächst niemand zu erkennen, welches Geschenk die unbekannte Mutter dem verbitterten alten Mann mit dem Kind gemacht hat. Es tauchen Zweifel auf – nicht ganz unberechtigte– ob der alte Mann überhaupt noch in der Lage ist, ein Kind aufzuziehen. Die Hartnäckigkeit des Alten zwingt die Gesellschaft, von ihrem Familienbild abzurücken und die Situation zu akzeptieren wie sie ist.
Auf der Suche nach der eigenen Identität
Die Akzeptanz fällt letztlich vor allem einem schwer: Billy selber. Kaum den Kinderschuhen entwachsen, muss er die Rollen tauschen und die Fürsorge für seinen dahin vegetierenden Großvater übernehmen. Obwohl er dem alten Mann in tiefer Liebe begegnet, drängt es den Jungen, mehr über seine Herkunft zu erfahren. Er erlebt sich als Außenseiter, dem zwar Wohlwollen entgegen gebracht wird, der aber aufgrund seiner Geschichte nicht in das Bild einer properen Gesellschaft passen will. Das wird auch durch die Verbundenheit Billys mit dem Nachbarmädchen Anni nicht besser. Denn das Mädchen ist eine Simpson und gehört damit zu jener Familie, die in der Gegend als asozial bekannt ist. Tatsächlich steht es bei den Simpsons nicht zum Besten und Billy muss sich eingestehen, dass er um die Vorgänge im Nachbarhaus gewusst hatte, sie aber verdrängte, um sich nicht damit auseinander setzen zu müssen. Hier hält der Autor der Gesellschaft rücksichtslos einen Spiegel vors Gesicht. Er lässt die Individuen handeln, stellt sie dann aber in den Kontext zu ihrer Herkunft und zeigt die Ausgrenzungsmechanismen auf, denen sich die meisten Menschen, ohne weiter darüber nachzudenken, unterwerfen.
Wird zu oft weg gesehen?
Die Geschichte, die William Kowalski erzählt, könnte sich so – oder ähnlich - in irgendeiner westlichen Kleinstadt zugetragen haben. Genau das rückt sie nahe. Man entdeckt sich darin selber und stellt bestenfalls sein eigenes, vorschnelles Urteil in Frage. Und man kommt nicht umhin, darüber nachzudenken, ob man nicht zu oft und zu konsequent weg sieht. Dies alles schafft der Autor einzig durch seine Erzählkraft. Humorvoll steigt er in die Geschichte ein, lässt sie sich dann aber eigendynamisch entwickeln und gibt ihr höchstens noch einige Leitplanken. Es entsteht eine Familiengeschichte, die zwar nicht durch eine ausgereifte und melodische Sprache brilliert, die aber leicht lesbar ist und auf eine Weise fesselt, die keinen Raum für Langeweile aufkommen lässt. In vielen Momenten wird sich der Leser selber erkennen, sei es nun in der Figur des Ich-Erzählers Billy oder in jener der schweigenden Gesellschaft.
Schließlich lässt Eddies Bastard das Publikum erfüllt aber auch betroffen zurück. Etwas, das nicht jedem Buch gelingt. Dass das Taschenbuch rund zehn Jahre nach der deutschen Erstveröffentlichung wieder auf den Markt gekommen ist, wird jene Leser freuen, die eine gut erzählte und hintergründige Familiengeschichte zu schätzen wissen.
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