Die ferne Hoffnung
- Tinte & Feder
- Erschienen: Januar 2000
- 1
Kraftloser Auftakt einer Familiensaga
Die Autorin Petra Mattfeldt, alias Ellin Carsta, kann man wohl zurecht zu einer der umtriebigsten Schriftstellerinnen des Landes zählen. Gleich unter drei Namen veröffentlicht sie wie am Fließband Krimis, Thriller, Fantasy, Science Fiction und Historische Romane. Ihr neues Werk „Die ferne Hoffnung“ ist der erste Teil der „Hansen-Saga“ und Carstas Beitrag zum aktuellen Trend der Familienepen.
Hamburg, 1888: Nach dem Selbstmord des Patriarchen steht die Kaufmannsfamilie Hansen vor dem finanziellen Ruin. Den Brüdern Robert, Georg und Karl fällt die schwierige Aufgabe zu das Familienunternehmen zu retten. Ihre einzige Hoffnung liegt im fernen Kamerun: Mit dem Kauf einer Kakaoplantage hofft die Familie auf den dringend benötigten Geldsegen. Also startet Robert mit seiner Frau und den beiden Töchtern ins Abenteuer in Kamerun, Georg bleibt mit seiner Familie in Hamburg und regelt die Geschäfte, Karl reist nach Wien, um Abnehmer für den Kakao zu akquirieren. Scheinbar gute Aussichten, doch schon bald bricht für die Familie eine turbulente Zeit voller Herzschmerz, Intrigen und Schicksalsschlägen an. Am Ende scheint nicht nur der Fortbestand der Firma gefährdet. Auch die Hansens selbst müssen sich den Konsequenzen ihres Handelns stellen.
Mit diesem geschichtlich geprägten Setting hat sich die Autorin diesmal keinen Gefallen getan. Obwohl aufgrund ihres literarischen Oeuvres durchaus vertraut mit dem Genre des historischen Romans, hat Ellin Carsta lieber heutige Maßstäbe in die damalige Zeit projiziert, statt sich um geschichtliche Akkuratesse zu bemühen. Ihre Recherchen zu dem Buch, die sich auf die deutsche Kolonialgeschichte beschränken, wie das Quellenverzeichnis deutlich macht, hätte besser auch andere für den Roman relevante Bereiche abgedeckt. So oft wie die verarmten Hansens die kostspielige Reise von Deutschland nach Kamerun und wieder zurück antreten (einmal sogar nur mit drei Tagen dazwischen), könnte sich sogar in der heutigen Zeit wohl kaum eine Familie leisten. Außerdem hat die Autorin sehr rosige Vorstellungen davon, wie es in so genannten „Nervenkliniken“ der damaligen Zeit aussah.
Die Ergebnisse der Nachforschungen zur Kolonisation Kameruns hinterlassen innerhalb des Textes kaum Spuren. Vergeblich hofft man auf Hintergrundinformationen oder anschauliche Beschreibungen, die das Leben in einer Kolonie der 1880er Jahren greifbar machen würden. In diesem Zusammenhang erscheint besonders die gesellschaftlich konträre, uneingeschränkte Toleranz der Hansens gegenüber Kameruns Einheimischen mehr als nur utopisch. Warum die Hamburger Familie so ganz anders gesinnt ist, als ihre deutschen Siedlerkollegen oder sogar die damalige deutsche Gesellschaft, erschließt sich nicht im Geringsten. Das Ergebnis solcher unglaubwürdigen Darstellungen bar jeder Begründung ist eine verklärte Version historischer Ereignisse. Authentizität geht dabei vollkommen verloren.
Ein unausgereifter Sprachstil und eine Menge Füllwörter sind weitere Problematiken, auf die der Leser stößt. Eine flottere Erzählweise und ein abwechslungsreicheres Vokabular hätten dem Buch gutgetan. Durch sparsame bildliche Beschreibungen, haben besonders die Kamerun-Passagen Potential und Atmosphäre eingebüßt. Mehrmals zu wiederholen, wie atemberaubend die Landschaft ist, führt zu nichts, wenn man nicht auch beschreibt, wie diese Landschaft denn überhaupt aussieht. Viele Entwicklungen werden nur schnell abgehandelt und nacherzählt, anstatt in eine lebendige Handlung verpackt zu werden. Vor allem wurde auf den Dialog als handlungstragendes Element gesetzt. Doch bei einem Fokus auf gehaltlose Konversationen ist diese stilistische Taktik nicht unbedingt als Glücksgriff zu werten. Dementsprechend schwierig gestaltet sich der Zugang zu den Figuren. Charakterisierungen bleiben oberflächlich, Motivationen schleierhaft, Protagonisten eindimensional.
Ellin Carstas literarischer Eifer hat in diesem Fall ein dürftiges Ergebnis hervorgebracht. Die schwunglose Dramaturgie und das unglaubwürdige historische Setting bieten dem Leser leider nur ein wenig befriedigendes Leseerlebnis. In „Die ferne Hoffnung“ bleiben Spannung und Unterhaltung leider tatsächlich eine ferne Hoffnung.
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