Die Herzen der Männer
- Klett-Cotta
- Erschienen: Januar 2018
- 1
- Stuttgart: Klett-Cotta, 2018, Seiten: 477, Übersetzt: Dorothee Merkel
Aber wenn ich höre, wie du diese Trompete spielst, dann höre ich mehr als nur einen Jungen, der Luft in ein Instrument bläst.
Für Nelson ist das Pfadfinderlager sein Leben. Denn hier kann er seine Pflicht tun und vergessen, dass er weder Freunde noch einen Vater hat, der stolz auf ihn ist. Daher ist auch seine Trompete, mit der er jeden Morgen zum Appell bläst, sein liebster Gegenstand. Doch im Lager muss er sich auch vor anderen behaupten und ein Nickel, der ihn von da sein restliches Leben lang begleitet, wird dabei eine große Rolle spielen.
„Zwanzig Jahre, denkt sie. Und wir kämpfen immer noch gegen dieselben Leute in denselben Ländern.“
Mit „Die Herzen der Männer“ legt Nickolas Butler einen Roman vor, der verschiedene männliche Protagonisten in unterschiedlichen Lebensphasen erzählen lässt. Es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden und von den Pflichten gegenüber der eigenen Familie.
Das Buch ist aufgeteilt in drei Kapitel, beginnend mit dem Jahr 1962. Der dreizehnjährige Nelson hat keine nennenswerten Freunde und einen Vater, der ihn kaum beachtet. Nur im Pfadfinderlager, welches er jährlich besucht, blüht er auf. Dort hat er bereits mehr Abzeichen gesammelt, als andere im gleichen Alter. Das ruft zwar viele Neider auf den Plan, doch gewinnt er dadurch gleichzeitig den Respekt des älteren Wilbur, der das Pfadfinderlager leitet und zu einem Vaterersatz wird. Dieser ist es auch, der ihm eine Perspektive gibt, als Nelsons leiblicher Vater die Familie verlässt. Fast 30 Jahre später, im Jahr 1996, tritt Jonathan in den Mittelpunkt, den man als einen der Jugendaufseher im vorherigen Kapitel kennengelernt hat. Dieser bemüht sich seiner Aufgabe als Vater gerecht zu werden und seinen Sohn Trevor auf das Erwachsenwerden vorzubereiten. In seiner Vaterrolle unterscheidet er sich deutlich von Nelsons Erzeuger, wenngleich er sehr ungeschickt versucht, seinem Sohn seine heimliche Affäre als neue Freundin vorzustellen. Trevor, selbst pflichtbewusster Pfadfinder, wirft dies aus der Bahn und er beginnt, an der wahren Liebe zu zweifeln. Wieder einige Jahre später, im Jahr 2019, lernt man schließlich Trevors Sohn Thomas und seine Mutter Rachel kennen. Wie im ersten Kapitel spielt die Geschichte im Pfadfinderlager, das sich mittlerweile sehr verändert hat. Die Jugendlichen haben nur noch ihre Handys und die sozialen Medien im Sinn und wollen sich nicht mehr auf die Natur einlassen. Nelson, nun der Campleiter, sieht sich der Entwicklung hilflos gegenüber, scheint mittlerweile aber selbst Mentor von Rachel und Thomas geworden zu sein.
„Die Herzen der Männer“ war für mich das erste Werk von Nickolas Butler und umso gespannter war ich auf diesen Roman. Vor allem der Buchrücken machte neugierig, da es als „zärtlich“ und „einfühlsam“ beschrieben wird. Allerdings bin ich nach Beenden des Buches weit davon entfernt, dem zuzustimmen. Für mich hatte das Buch drei wesentliche Schwächen: die Handlung, die Figuren und das Ende.
Wenn ich mir die Handlung ins Gedächtnis rufen möchte, kann ich selbst kurz nach Beenden des Buches keine wesentlichen Stellen nennen, die mich berührt haben. Die Geschichte war eine Reise in die Gedankenwelt einiger männlicher Protagonisten, wobei die von Nelson als Kind noch am ehesten nachzuvollziehen war. Die der erwachsenen Männer waren dagegen plumper und wenig plausibel. So hat man unter anderem Seiten um Seiten vor sich, wo vier Personen in einer Kneipe sitzen und über die Vergänglichkeit der Liebe schwadronieren. Dem konnte ich weder eine philosophische Tiefe abgewinnen, wie ich es ein Stück weit erhofft hatte, noch eine Bedeutung für das Buch als Ganzes. Zumindest war ein leichter roter Faden zu erkennen, repräsentiert durch das Pfadfinderlager, welches für jeden der Charaktere eine Rolle spielte, als auch in Nelson selbst, der sich im weiteren Verlauf jedoch immer mehr zu einer Randfigur mauserte.
Als wesentlich erfrischender empfand ich die Figur Rachel: Ihre schonungslose Ehrlichkeit und Sicht der Dinge konnte die Geschichte ein Stück weit aus ihren Tiefen retten. Auch Trevor konnte mich im zweiten Kapitel mit seinen jugendlichen Gedanken einfangen. Nelson als Kern des Buches konnte mich dagegen so gar nicht packen. War er zu Anfang noch interessant, verblasste er schließlich immer mehr. Daher konnte ich am wenigsten nachvollziehen, wie er zum Ende hin von sämtlichen Leuten gefeiert wurde; dafür war er mir nicht präsent genug. Wäre Nelsons Einfluss auf andere Menschen im Verlauf des Buches klarer herausgearbeitet gewesen, so wäre das Ende für mich passender gewesen. Stattdessen musste ich tatsächlich verwundert den Kopf schütteln.
Der größte Pluspunkt war ganz klar der Schreibstil. Nickolas Butler weiß sich präzise auszudrücken. Ich habe die Schreibweise als klare Linie ohne unnötige Schnörkel und Verzierungen wahrgenommen. Dadurch war das Lesen sehr flüssig und machte die Geschichte trotz der negativ genannten Punkte zu einer runderen Sache.
Fazit:
„Die Herzen der Männer“ überzeugt in erster Linie durch eine klare Schreibweise und eine abwechslungsreiche Sicht verschiedener Charaktere. Einige boten eine willkommene Abwechslung von den ansonsten langweiligen männlichen Perspektiven. Es fehlten Höhen und Tiefen oder wenigstens ein philosophisch anmutender Hintergrund. Zumindest eins von beiden hätte sein müssen.
Deine Meinung zu »Die Herzen der Männer«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!