Der Zopf

  • Berlin: S. Fischer Verlag, 2018, Seiten: 288
Der Zopf
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Lisa Reim-Benke
901001

Belletristik-Couch Rezension vonJul 2018

Drei starke Frauen, die den Mut haben für ihre Träume zu kämpfen

Spannend, kraftvoll und berührend: Das ist Laetitia Colombanis vielbeachteter Debütroman, in dem sie die Lebensgeschichten dreier unterschiedlicher Frauen erzählt und kunstvoll miteinander verknüpft. Gleich einem Zopf, der aus drei Haarsträhnen geflochten wird, verbinden sich hier drei Frauenschicksale, die stellvertretend für die tagtägliche Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Chancenlosigkeit stehen, mit der sich Frauen in jedem Land und jeder Gesellschaft konfrontiert sehen.

In Indien trifft man auf Smita, einer Unreinen, von der Gesellschaft ausgestoßen. In einem Land, in dem Frauen seit jeher einen schweren Stand haben, steht sie ganz unten. Jeden Tag macht sie sich früh morgens auf den Weg, um die Toiletten der Bessergestellten mit der bloßen Hand zu reinigen, um so wenigstens ein bisschen für ihre Familie sorgen zu können. Doch Smita hat einen Traum: Ihre Tochter soll es eines Tages besser haben als sie. Für diesen Traum ist Smita bereit alles zu opfern und ihre gesamte Stärke dem Kampf für ein besseres Leben zu widmen.

In Palermo hat Giulia ganz andere Probleme. Nach dem Unfall ihres Vaters stellt sie fest, dass die familieneigene Perücken-Fabrik kurz vor dem Bankrott steht. Die Zukunft der gesamten Belegschaft und nicht zuletzt der Familie lastet nun auf Giulias Schultern. Auf sich allein gestellt, versucht sie die Firma zu retten und für sich eine neue Bestimmung zu finden.

Währenddessen findet sich in Kanada die erfolgreiche Top-Anwältin Sarah in einem lebensbedrohlichen Kampf wieder: Sie leidet an Brustkrebs. Doch es ist nicht nur der Kampf gegen die Krankheit, der die selbstbewusste Karrierefrau und Mutter von drei Kindern an ihre Grenzen führt. Vielmehr ist es die Stigmatisierung, die sie durch ihre Kollegen erfährt, die sie immer weiter in die Rolle der Sterbenskranken und Schwachen zu drängen versuchen. Nun droht Sarah mit ihrer über Jahre hinweg aufgebauten Karriere den letzten Halt zu verlieren.

Wie die Geschichten der drei Frauen letztendlich zueinanderfinden, dürfte kein allzugroßes Geheimnis sein. Dennoch schafft es Laetitia Colombani eine unwiderstehliche Spannung aufzubauen, nicht zuletzt durch gemeine Cliffhanger am Ende jeden Kapitels. Die Folge ist eine Lesesucht, der man sich nur schwer entziehen kann. Der wunderbar klare und entspannte Schreibstil tut da sein übriges. Die Figuren und deren Schicksale werden dem Leser so eindrücklich vor Augen geführt, dass man das Gefühl hat, sich mit Smita zusammen in einen überfüllten indischen Bus zu quetschen, mit Giulia verzweifelt durch die dem Untergang geweihte Fabrik zu laufen oder sich zusammen mit Sarah ihren ungerechten Kollegen zu stellen. Besonders die Geschichte von Smita gehört zu den eindringlichsten Episoden des Romans.

Insgesamt ein schönes Buch voller sprachlicher Kunstfertigkeit und einer Menge Spannung, das viele gesellschaftliche Probleme aufzeigt. Auch wenn man sich an mancher Stelle mehr Tiefgang wünschen könnte, bleibt die Botschaft des Buches unmissverständlich: Niemand muss sich seinem Schicksal ergeben, wenn genügend Kampfgeist vorhanden ist.

Der Zopf

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