Über die Geschichte zweier ungleicher Nachbarn
Die Grenze der USA und Mexiko ist schon seit geraumer Zeit ein Gebiet, das viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfährt. Dort treffen zwei Welten aufeinander, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten. Es gibt viele Konflikte, Polemik und Aufregung. Politiker, Menschenrechtsgruppen und die Medien streiten über die Grenze, über ihre Bedeutung und Auswirkungen. Sie alle prangern an und empören sich. Aus unterschiedlichen Gründen, mit unterschiedlichen Zielen. Die einen wollen helfen und das Leid mindern, das sich dort ständig abspielt, die anderen wollen eine Mauer errichten, wollen die Trennung der beiden Seiten für immer festigen. Die Grenze ist ein Ort des Miteinanders und des Gegeneinanders. Sie besteht aus Fluss und Wüste, aus großen Hoffnungen und Enttäuschungen.
Die Grenzregion ist ein geschichtsträchtiger Ort, mehr als nur die Trennung zweier Länder. In ihrem dokumentarischen Buch zum Borderland widmet sich die Autorin Erazo Heufelder verschiedenen Aspekten dieses besonderen Landstriches, seiner wandelnden Bedeutung und seinen Menschen. Sie ist bemüht ein möglichst vielseitiges, komplettes und lebendiges Bild der Grenze zu zeichnen, sie integriert historische, ökonomische, kulturelle und alltägliche Dimensionen in ihrem unterhaltsamen und aufschlussreichen Buch. Dabei erfährt der Leser viel über die Beziehung der beiden Länder und über die veränderliche Wahrnehmung der Grenze auf beiden Seiten.
Den Beginn macht natürlich die Entstehung der heutigen Grenze, also der Krieg zwischen Mexiko und den USA (1846 - 1848), der damit endete, dass das unterlegene Mexiko die Hälfte seines Staatsgebietes an den größer werdenden Nachbarn aus dem Norden abtreten musste. Das gesamte Gebiet von Texas bis Kalifornien, das damals noch sehr dünn besiedelt war, wurde Teil des aufstrebenden, expandierenden Imperiums. Die Grenzführung verschob sich in erheblichem Maße, wer an einem Tag noch in Mexiko lebte, fand sich am nächsten Tag in den USA wieder und musste zusehen, wie er sich wehren konnte gegen die gierigen Großgrundbesitzer, die neue Weideflächen für ihr Vieh erschließen wollten und dabei jedwedes Mittel anwandten. Es kam zu ersten Verdrängungen von mexikanischen und indigenen Bewohnern. Viele zogen über die neue Grenze in den Süden, ins restliche Mexiko, wo sie die Sprache verstanden und nicht dem großen Geschäft im Wege standen.
Die Manifest Destiny der USA verwirklichte sich auf Kosten des südlichen Nachbarn und der Menschen, die zuvor im Norden Mexikos gelebt hatten.
Die Bewohner der Grenzregion haben es stets schwer gehabt, von den eigenen Landsleuten anerkannt zu werden. Sie wurden und werden oft als nicht vollwertige Patrioten angesehen. Das gilt für die Mexikaner und US Amerikaner auf beiden Seiten der Grenze. Die Grenz-Mexikaner werden vom Rest des Landes als amerikanisiert empfunden, als Personen, die sich weit von der mexikanischen Kultur entfernt haben und sich zu stark den Nachbarn aus dem Norden angepasst haben. Sie sind keine richtigen Mexikaner. Ebenso verhält es sich auf der anderen Seite, wo die US Amerikaner viel Kontakt mit der mexikanischen Kultur haben und deshalb vom Rest des Landes als weniger amerikanisch gesehen werden. Sie sind keine richtigen US Amerikaner.
Jeanette Erazo Heufelder gibt viele Einblicke in das Phänomen der Grenze, sie berichtet von Pancho Villa, von der Zeit der Prohibition in den USA und dem Alkoholschmuggel, vom Krieg gegen die Drogenkartelle, vom schmutzigen und einträglichen Geschäft mit den Migranten, von der tödlichen Wüste, von Rassismus und Mitmenschlichkeit. Filme und Musik dienen ihr als Quellen, ebenso wie wissenschaftliche Arbeiten und statistische Erhebungen. Ihre Recherchearbeiten hat sie gewissenhaft ausgeführt und am Ende des Buches mit umfangreichen bibliografischen Nachweisen belegt. Ein wichtiges, immer wiederkehrendes Thema ist dabei natürlich die Arbeitsmigration. Seit langer Zeit schon, überqueren die Menschen aus Mexiko die Grenze, um auf der anderen Seite besser bezahlte Jobs ausüben zu können. Zur gleichen Zeit verlagern viele US Firmen Teile ihrer Produktion in den Norden Mexikos, wo sie günstiger produzieren und ihre Waren schnell hinüber in den US Markt bringen können.
Welcome to Borderland ist gut recherchiert und mit vielen unterhaltsamen Daten und Anekdoten ausgeschmückt. Die Thematik ist breit gefächert, verspricht dem Leser ein weites Verständnis und interessante Stunden der Lektüre. Sehr empfehlenswert für Kenner der Grenze und solche, die ständig von der Aufregung um diesen Landstrich hören und sich ein Bild machen wollen.
Jeanette Erazo Heufelder, Berenberg
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