Gekonnt verknüpft die Autorin die Geschichte um Mimi Reventlow mit der Geschichte des Weberdorfes Laichingen.
Laichingen, ein Ort auf der Schwäbischen Alb, war einst ein bedeutendes Leinenweberzentrum in Württemberg. Vor bald zweihundert Jahren lebt einst beinahe das ganze Dorf von der Leinenweberei. Die Handwebstühle standen in feuchten Kellern, den so genannten Dunken. Das war zwar gut für das Leinen, aber weniger gut für die Menschen. Die Abhängigkeit von den Webereibesitzern war gross und die Weber und ihre Familien lebten in ständiger Armut und Not. Ein ungeschriebenes Gesetz ermöglichte zwar den Menschen einen gesicherten Arbeitsplatz und den Unternehmern Arbeitskräfte ohne Ende, denn traditionsgemäss übernahm der Sohn vom Vater den Beruf des Webers. Die Heimweberei in Laichingen war weltberühmt. Jedes Mädel war stolz, eine Aussteuer aus Laichinger Leinen zu besitzen. Rund um diese historischen Tatsachen erzählt die Autorin Petra Durst-Benning die Geschichte der Fotografin Mimi Reventlow.
Mimi Reventlow wächst in Württemberg in einem Pfarrhaus auf. Schon immer war sie ihrer Zeit weit voraus. Sie ist überglücklich als im Jahr 1905 ihre Eltern ihr die Ausbildung als Fotografin erlauben. Ihr grosses Vorbild ist ihr Onkel Josef, der Wanderfotograf. Ihm möchte sie nacheifern. Doch vorerst gilt es einige Hürden zu nehmen. Mimi erfährt schon bald, dass sie nur als Gehilfin und nicht als Lehrling eingespannt wird und die wichtigen Aufgaben eines Fotografen durch ihren Meister ausgeführt werden. Als Frau hat sie um die Jahrhundertwende keinen leichten Stand. Aber sie kämpft sich durch die Lehrzeit und setzt anschliessend ihren Traum als Wanderfotografin um. Sie bereist das Land und freut sich, wenn sie mit ihren Fotografien den Menschen Freude schenken kann.
Als ihr Onkel Josef erkrankt, macht sie sich auf nach Laichingen, dem Leinenweberdorf. Mit viel Einsatz und noch mehr gutem Glauben möchte sie das Fotoatelier ihres Onkels vorübergehend führen. Immer in der Hoffnung, dass der Onkel bald wieder auf den Beinen sein wird. Doch schon bald sieht sich Mimi mit der Tatsache konfrontiert, dass Josef an Tuberkulose erkrankt ist. Mimi rechnet fest damit, dass ihre Mutter, Josefs Schwester, ihn pflegen kommt und dass sie bald wieder ihre Arbeit als Wanderfotografin aufnehmen kann. Doch es kommt alles ganz anders, denn ihre Mutter denkt gar nicht daran, nach Laichingen zu kommen. Sie ist mit ihren Aufgaben als Pfarrfrau mehr als genug beschäftigt und so bleibt die Mimi überlassen.
Die Sorge um ihren Onkel ist gross und mit den Einwohnern von Laichingen ist es so eine Sache. Bei den Dorfbewohnern eckt Mimi mit ihrem Freigeist und ihrem Unabhängigkeitsdrang immer wieder an. Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht sie, das Fotoatelier ihres Onkels wieder zum Leben zu erwecken und mit modernen Fotografien den armen Leuten ein bisschen Freude und Schönheit zu bringen. Die Leute im Ort sind äusserst traditionsbewusst und abgesehen davon hängen die einzelnen Familien vom Wohlwollen des Leinenwebereibesitzers Gehringer ab. Mit ihm steht und fällt das Wohl der Dorfgemeinschaft. Gehringer weiss seine Macht sehr gut einzusetzen und regiert mit Zuckerbrot und mehr noch mit Peitsche.
Die Pflege des Onkels bringt es mit sich, dass Mimi auch die Haushaltsführung erlernen muss. Von diesen Dingen hat sie keine Ahnung. Für diese Tätigkeiten war in ihrem Elternhaus eine Haushaltshilfe zur Hand. Aber das Kochen, das Waschen und Putzen will gelernt sein und nimmt viel Zeit in Anspruch. Mimi findet für ihre Arbeit als Fotografin fast keinen Platz mehr. Das geht an ihre Substanz und belastet ihr Gemüt.
Bevor Mimi auf die Schwäbische Alb kam hatte sie in Ulm einen jungen streitbaren Mann kennengelernt. Auf dem Pfingstmarkt in Laichingen trifft sie ihn unverhofft wieder. Überraschend für Mimi: der junge Mann ist der Bruder der rechten Hand von Gehringer.
Hier endet der erste Band und der Leser darf auf den zweiten Teil der Geschichte gespannt sein.
Fazit:
Gekonnt verknüpft die Autorin die Geschichte um Mimi Reventlow mit der Geschichte des Weberdorfes Laichingen. Viele interessante Details aus dem Alltag der Leinenweber fliessen in die Handlung ein. Die herrschende Armut ist greifbar, die Arbeitsbedingungen scheinen uns heute nicht zumutbar und ganz nebenbei müssen die Leute noch ihre Felder und ihren Gemüsegarten pflegen, damit sie überhaupt Nahrung haben. Durch die hochgehaltenen Traditionen scheint sich in Laichingen nichts zu ändern. Träumen und den Mut für Veränderungen aufbringen scheinen nicht einmal im Ansatz möglich. Da bringt Mimi frischen Wind ins Dorf mit ihrer Unbekümmertheit, ihrem Freiheitsdrang und ihrem eisernen Willen. Ob und wie viel ihr gelingt, wird erst im zweiten Buch «Die Fotografin: Die Zeit der Entscheidung» verraten.
Petra Durst-Benning, Blanvalet
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