Der neue Roman der „Big Little Lies“-Autorin
Fans der überaus erfolgreichen Serie mit Starbesetzung werden sich über diese Neuigkeit mit Sicherheit freuen: Erfolgsautorin Liane Moriarty hat ein neues Buch geschrieben und es ist gerade auf dem deutschsprachigen Markt erschienen. Es trägt den eher unverfänglichen deutschen Titel „Neun Fremde“, wobei der englische Originaltitel „Nine Perfect Strangers“ den Kern des Buches wie so oft viel besser trifft, wie ich finde. Und kaum veröffentlicht steht auch schon fest, dass dieser ganz neue Stoff ebenfalls verfilmt wird. Nicole Kidman (Produzentin von „Big Little Lies“ und eine der Hauptdarstellerinnen) hat bereits angekündigt, dass sie auch die Adaption dieses Buches produzieren wird.
Nun aber gibt es erstmal den Roman und ich denke, ich darf ruhig schon vorweg nehmen, dass man sich auch hier wieder ganz entspannt zurücklehnen und dem psychologisch-gewieften Spiel unter Fremden genüsslich verfallen kann. Aber es wäre nicht Liane Moriarty, wenn sie nicht auch mit unseren Erwartungen spielen würde.
Der australische Winter
ist der Ausgangspunkt dieser Geschichte, in der es um neun Wellness-Resort-Urlauber geht, fünf Frauen und vier Männer. Wobei „Urlauber“ sicherlich nicht ganz zutreffend ist: Jeder von ihnen – ob er es zugeben will oder nicht – ist gekommen, um sich zu optimieren. Nicht mehr und nicht weniger verspricht der Werbetext auf der Tranquillum-House-Webseite. Und wer möchte das nicht, sein „Ich“ verbessern, schlechte Angewohnheiten über Bord werfen, böse Erinnerungen endlich hinter sich lassen. Welch manipulatives Geschäft sich dahinter verbirgt, mag man zu Anfang nur erahnen. Einige Gäste sind angesichts der ungewöhnlichen Methoden sogar ein wenig renitent, andere scheinen wiederum mit den Achseln zu zucken und denken: Was soll´s, vielleicht bringt es ja was. Coach und Gastgeberin Masha stilisiert sich selbst geradezu zum Guru und schafft es tatsächlich, ihre skeptischen Gäste ein ums andere Mal zu überzeugen. Doch das böse Erwachen aus dem überirdisch schönen Tagtraum ist unausweichlich, denn auch die perfekte Masha hat ihre Geheimnisse.
Natürlich sieht Frances - unsere Hauptfigur und ihres Zeichens Liebesromanautorin mit fallender Tendenz auf der Verkaufs- und Beliebtheitsskala - keinerlei Anlass, an ihrem Gewicht oder an irgendetwas anderem an sich selbst herum zu optimieren. Und auch sonst läuft alles okay in ihrem Leben - eine harte Nuss für Masha. Aber von wegen: Ein veritabler Nervenzusammenbruch bereits auf dem Hinweg zeigt, dass es mit ihrer Gelassenheit nicht weit her ist. Nur zu blöd, dass ausgerechnet ein anderer Resort-Gast sie dabei sieht und ihr auch noch seine Hilfe anbietet. Wie peinlich! Doch Frances ist nicht gekommen, um klein beizugeben und steht tapfer und offensiv ihre Schande durch.
Auch andere haben ihr Paket zu tragen: Da ist die Familie, die um den Sohn und Bruder trauert; da ist der gutaussehende, erfolgreiche Anwalt, der Angst vor der Verantwortung hat; der übergewichtige Kerl, den Frances zunächst gar nicht ausstehen kann und dessen Vergangenheit sich für viele als große Überraschung entpuppt; die junge Mutter, die von ihrem Ehemann für eine noch Jüngere verlassen wurde und immerzu denkt, sie sei zu dick; oder etwa das reiche Pärchen, dessen Liebe – tatsächlich, das gibt es – von zu viel Glück zerstört wird.
Das perfekte Leben
In ständigem Perspektivwechsel, geschildert von einem allwissenden Erzähler, erhalten wir interessante Einblicke in die persönlichen Geschichten der Protagonisten - Geschichten, die nur sie selbst kennen und die sie mit niemandem teilen würden. Im Verlauf stellen sich immer wieder neue Fragen, müssen unvermeidliche Vorurteile über Bord geworfen werden. Dies versetzt uns Leser in eine vermeintlich reizvolle Position, haben wir doch so einen Wissensvorsprung vor allen anderen. Doch das meinen wir nur, denn die Geschichte schlägt immer wieder einen überraschenden Haken und zeigt, dass jeder das Potenzial hat, besser und glücklicher zu werden. Egal, wie und was das Leben mit einem Menschen angestellt hat – oder der Mensch mit seinem Leben.
Den Kurs kennt nur sie – und das macht es auch so unterhaltsam
Wie auch in „Big Little Lies“ versteht Moriarty sich darauf, die gut einstudierten Rollenmuster und gepflegten Äußerlichkeiten Stück für Stück zu demontieren. Das macht sie nicht etwa auf eine entlarvende, schadenfrohe Weise – wobei ihr besonderer Humor wieder einmal nicht zu kurz kommt – sondern stattet jeden einzelnen Wellness-Odysseus, den sie in ins Ungewisse schickt, mit sehr menschlichen und sogar liebenswerten Eigenheiten aus. Scheinbar locker „surft“ sie zwischen den humorvollen Passagen und den wirklich sehr ernsten und zu Herzen gehenden Hintergründen einzelner Personen, ohne zu irgendeinem Zeitpunkt unglaubwürdig zu werden. Als Beobachter ihrer so unterschiedlichen Protagonisten, wie sie größtenteils orientierungslos durch innere wie äußere Wirrnisse navigieren, fühlt man sich ihnen und dem Geschehen nahe.
Eigentlich hat mir nur noch der tolle Soundtrack gefehlt, den ich von der Serie „Big Little Lies“ kenne. Aber das kommt ja sicherlich noch, wenn das Buch demnächst als Serie über unsere Bildschirme flimmert.
Fazit:
Wieder einmal stellt Liane Moriarty interessante und greifbare Charaktere vor, legt auf kluge Weise falsche Fährten und holt ihre Leser/innen ganz nahe heran an das Geschehen. Am Ende sind aus den neun Fremden neun Freunde geworden, und man würde nur zu gerne mehr Zeit mit ihnen verbringen.
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