Erschütternd, aber auch poetisch
Nuri, seine Frau Afra und ihr Sohn Sami sind in Aleppo zu Hause. Die zweitgrößte Stadt Syriens mit der schönen Altstadt, dem Souq und der Zitadelle sind ihre Heimat. Hier sollte Nuri die Schneiderei seines Vaters übernehmen und die Familientradition weiterführen. Doch Nuri interessiert sich nur für Bienen. Gemeinsam mit seinem Cousin Mustafa hegt und pflegt er viele Bienenvölker und verkauft den Honig auf dem Markt.
Der friedlichen Idylle wird durch den herannahenden Krieg jäh ein Ende gesetzt. Nuris Sohn Sami wird bei einem Bombenangriff getötet und Afra verliert dabei ihr Augenlicht. Immer näher rücken die Soldaten, doch Afra will Aleppo nicht verlassen sondern lieber in der Nähe ihres Sohnes in ihrem bereits stark beschädigten Haus bleiben. Nuri drängt immer mehr, auch weil Mustafa zusammen mit seiner Frau bereits aus Syrien ausgereist ist.
Eines Tages, als Nuri und Afra sich in einer ausgehobenen Grube vor den Soldaten verstecken müssen, willigt Afra endlich ein. Die Beiden machen sich auf die beschwerliche Reise. Sie führt über die Türkei, weiter nach Griechenland und endlich nach England.
Für Nuri ist die Flucht extrem belastend. Nicht nur muss er sich um Afra kümmern, sie führen, auf sie aufpassen, sie ankleiden und vieles mehr, nein, die vielen Eindrücke, die auszustehenden Ängste, die Ungewissheiten muss er aushalten und verarbeiten. Und gleichzeitig nie die Hoffnung und den Mut verlieren. Das setzt ihm mehr zu, als er wahrhaben will. Nuri holt sich ein wenig Kraft und Zuversicht aus dem Mailverkehr mit Mustafa. Dieser ist bereits in England angekommen und berichtet von seinen neuen Bienenstöcken. Mit der Erinnerung an seine Bienen und den Blütenduft hält sich Nuri über Wasser.
Endlich in England angekommen, warten sie auf die Aufenthaltsbewilligung, damit sie zu Mustafa weiterreisen können. Zu Mustafa, seiner Familie und den Bienenstöcken.
"Die Menschen sind nicht wie Bienen. Wir arbeiten nicht zusammen, wir haben keinen Sinn für ein übergeordnetes Wohl"
Die Autorin Christy Lefteri erzählt in ihrem Roman auf ganz eindrückliche Art und Weise von der Flucht Nuris und Afras aus Syrien. Immer wieder wechselt die Autorin die Zeitebene und der Leser erfährt Stück für Stück vom Leben vor dem Krieg und von dieser harten, unmenschlichen Flucht. Äußerst behutsam beschreibt Christy Lefteri die Vorkommnisse während der Reise. Unvorstellbar die Zustände in den Flüchtlingslagern, die Ausbeutung der Flüchtenden und die vielen menschlichen Tragödien. Doch der Autorin gelingt es, trotz des ernsten Themas eine wunderbar poetische Geschichte zu erzählen. Die herrlichen Beschreibungen der alten Stadt Aleppo und deren Bewohnern nehmen den Leser mit in den Vorderen Orient. Die vielen kleinen Details über die Arbeit mit den Bienen schaffen eine wunderbare Heiterkeit und nehmen den tragischen Ereignissen etwas die Schwere. Das ist äußerst gekonnt gemacht!
FAZIT
Nuri und seine Geschichte treffen mitten ins Herz. Wunderbar erzählt, erschütternd und aufrüttelnd. Aber auch poetisch, einfühlsam und mit viel Liebe und Verständnis. Ein absolut empfehlenswertes Buch!
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