Melmoth

  • Eichborn
  • Erschienen: September 2019
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- OT: Melmoth

- aus dem Englischen von Eva Bonné

- Hardcover, 336 Seiten

Melmoth
Melmoth
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Monika Wenger
811001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2019

Intensiv-mystische Lektüre zum Nachdenken

Seit vielen Jahren lebt Helen Franklin in Prag. Aufgewachsen in England, ist sie vor über zwanzig Jahren in dieser Stadt hängengeblieben. Sie arbeitet als Übersetzerin und lebt äußerst bescheiden und zurückhaltend. Ihr Freundeskreis beschränkt sich auf Karel und seine Lebensgefährtin Thea.
An einem denkwürdigen Abend erhält Helen von Karel einen an ihn gerichteten Brief von einem gewissen J.A. Hoffmann. Das Schreiben ist äußerst mysteriös. Gleichzeitig teilt Karel Helen mit, dass dieser J.A. Hoffmann tot in der Bibliothek aufgefunden worden ist und ihm eine Mappe voller Manuskripte hinterlassen hat. Karel bittet Helen eindringlich, die Dokumente zu lesen und sich ein Bild zu machen. Die Texte nehmen sie gefangen und sie taucht ein in unglaubliche Geschichten. Mit jeder Zeile wird Helen jedoch auch an ihre eigene Vergangenheit erinnert, welche sie nur allzu gerne vergessen möchte. Alte Schuldgefühle tauchen auf und lassen sie nicht mehr los. In den Manuskripten ist immer wieder von Melmoth, der Zeugin, die Rede. Wie schon Karel vor ihr fühlt sich Helen nun ebenfalls beobachtet, und schlussendlich ist sie überzeugt, dass Melmoth auch sie verfolgt.

„Du bist so gewöhnlich, dass du das Aussergewöhnliche allein durch deine Anwesenheit unvorstellbar erscheinen lässt.“

Der Roman von Sarah Perry ist düster, unheimlich, und führt den Leser in eine ganz eigene Welt. Bereits zu Beginn der Geschichte sind Helens Schuldgefühle und ihre Gewissensbisse offensichtlich. Sie gönnt sich nichts und versucht so, ihr schlechtes Gewissen zu besänftigen. Noch ist unklar, was genau sie derart belastet. Dieses Rätsel wird erst gegen Ende gelöst.

Die Autorin bedient sich einer irischen Schauergeschichte (Melmoth the Wanderer) als Grundlage für ihren Roman. In verschiedenen Zeitepochen erzählt sie von großer Schuld und den daraus resultierenden seelischen Qualen. Dieses Zurückerinnern in die Vergangenheit und der Wechsel des Schreibstils bremst zwar zwischendurch den Erzählfluss, bewirkt aber immer wieder eine gewisse Spannung. Wirksam platziert Sarah Perry die unheimliche schwarze Frau, welche die seelischen Nöte auszunutzen versucht. Geplagt vom schlechten Gewissen, verfolgt von Melmoth, der Zeugin, bewegen sich die Figuren zeitweise am Rande des Wahnsinns.

FAZIT

Das Buch ist keine einfache Lektüre und braucht Zeit zum Lesen und Nachdenken. Leise Zwischentöne verlangen die ganze Aufmerksamkeit des Lesers, lassen ihn aber auch oft mit gemischten Gefühlen zurück. Obwohl gewisse Situationen von der Autorin bewusst oberflächlich beschrieben werden, mangelt es dem Roman nicht an Intensität, Mystik, Grausamkeiten und zwischenmenschlichen Tragödien.

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