Spiegel der Gesellschaft
Das Ehepaar Greilach lebt seit einigen Jahren sehr zurückgezogen in einer alten Mühle: für den Künstler Günter Greilach ein Rückzugsort, für seine Frau Natascha eher ungewollte Isolation. Beide machen sich gegenseitig das Leben schwer, streiten andauernd und haben verlernt, auf einander einzugehen und miteinander zu reden. Sie erhoffen sich durch den angekündigten Besuch des Doktoranden vielfältige Impulse für ihr Leben. Greilach möchte als Künstler wieder in aller Munde sein, seine Frau Natascha erwartet etwas mehr Abwechslung im Alltag. Für sie geht es auch um das Gefühl, endlich wieder wahrgenommen zu werden. Der Doktorand, auf dem so viele Erwartungen lasten, hat aber ganz andere Beweggründe für seinen Besuch bei den Greilachs.
«Manchmal schaut man sich um und fragt sich, ob man sich das ausgesucht oder ob es zu einem gekommen ist.»
Als erstes erinnern die Streitgespräche zwischen den Eheleuten an Loriot: wortgewandt, witzig, absurd, tragisch. So viele Schuldzuweisungen für nicht erfüllte Träume und Sehnsüchte, für fehlenden Erfolg und abklingenden Ruhm. Das Bedürfnis aller Figuren, gesehen zu werden, fließt in dieser kurzen Geschichte durch jede Seite. Falsche Erwartungen, jahrelang angenommene Opferhaltung und der Verlust der Fähigkeit, zu kommunizieren, werden in diesem Roman in aller Deutlichkeit aufgezeigt. Auch das Künstlerleben bekommt seinen Teil ab. Das Ende vermag dann zu überraschen.
Fazit
Ein spritziger, sprachgewandter Roman auf hundertsechsundsiebzig Seiten: ein Spiegel unserer Gesellschaft – manchmal gnadenlos. Wenn da nicht so viel Wahrheit in dem Text stecken würde, könnte man die Geschichte als rein humorvolle Unterhaltung erleben. Höchster Sprachgenuss!
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