Hier wäre mehr Geschichte möglich gewesen
Westberlin 1967: Die 31-jährige Friseurin Monika geht ein Verhältnis mit dem jüngeren Studenten Jens ein. Der ist in der APO organisiert und zeigt Monika, dass es noch eine Welt außerhalb des Salons und der durchschnittlichen deutschen Familie gibt. Doch das Verhältnis der beiden kühlt sich nach einem Vorfall ab und lässt Monika über ihre weitere Zukunft nachdenken.
Tiefgang fehlt in jeglicher Hinsicht
Ende der 60er Jahre gab es in Berlin zwei Arten, sein Leben zu führen: als Ottonormalverbraucher im miefigen Familienmilieu der Nachkriegszeit oder als Anhänger der Studentenbewegung, die gesellschaftskritisch die herrschenden Zustände ändern wollte; eine sehr spannende Zeit der deutschen Geschichte, die bis heute prägende Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft hat. Doch Corinna Mells nutzt dieses Potenzial nicht für ihre Erzählung und kratzt nur an der Oberfläche. Sie lässt wichtige Ereignisse zu Randerscheinungen verkommen, die nur erwähnt werden, damit die Handlung rund läuft. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit der geschichtsträchtigen Epoche findet nicht statt. Hier wäre viel mehr Tiefgang möglich gewesen, der das Buch bereichert hätte.
Klischees ersetzen Charaktere
Genauso ergeht es den Handelnden, die so farblos bleiben, dass sie wie zombiehafte Klischees erscheinen. Monika entspricht der wohlerzogenen Friseurin, die zwar ihren Weg geht, aber trotzdem keinen tatsächlichen Ausbruch wagt, und der pilzköpfige Student Jens engagiert sich politisch, womit er wirklich jedes damit verbundene Vorurteil repräsentiert und auslebt. Zwar werden gesellschaftliche Probleme angesprochen, aber sie enden immer positiv rosarot eingefärbt und sind damit genauso zurechtgebogen wie die gesamte Handlung des Buches. Hier gibt es keine Widersprüchlichkeiten, keine nonkonformen Verhaltensweisen – hier läuft alles so, wie es die zudem in sehr schlichtem Stil erzählte Geschichte braucht.
Fazit
„Damals in Berlin“ wurde vom Verlag als spannend und facettenreich angekündigt, was einen Roman versprach, der sich eingehend mit der Zeit Ende der 60er Jahre in Berlin befasst. Herausgekommen ist eine seichte, in simpler Sprache erzählte Liebesgeschichte, die, wenn man auf die Versprechungen des Verlages vertraut hat, nur enttäuschend ist.
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