Hier wurde Potential nicht ausgeschöpft
Milena hilft im Club ihrer Mutter, dem Blue Nights, aus. Eines Abends begehrt ein alter Mann verzweifelt Einlass, weil dort jemand auf ihn warten würde. Als Milena ihn abweist, erleidet er einen Herzinfarkt. Am nächsten Tag findet Milena in ihrem Antiquariat ein dünnes Büchlein. Darin schreibt Emil von seiner großen Liebe Lotte, die er verlassen musste. Damals haben sie sich versprochen: wenn sie nach 52 Jahren immer noch aneinander denken, werden sie sich am 18. Mai 2019 im Blue Nights treffen. Milena erkennt, dass sie dieses Treffen verhindert hat und will Emil nun helfen, seine Lotte wieder zu sehen. Denn seine Liebesgeschichte ähnelt sehr der ihren: Sie musste Paul ziehen lassen und wartet seit 10 Jahren auf dessen Rückkehr.
Die Geschichte wird gebogen, bis sie passt
Obwohl ich kein Fan von Liebesgeschichten bin, hat mich der Plot angesprochen: ein Paar, das sich über 50 Jahre nach der Trennung wieder treffen will, weil sie sich nicht vergessen konnten, und ein dummes Missgeschick, das dieses Treffen dann verhindert – also einiges an Potential. Aber was heraus kam, hat sich nicht von den üblichen, leicht-seichten Trivialgeschichtchen unterschieden, die es zu Hauf gibt. Scheinbar stand für die Autorin der Herzschmerz an erster Stelle, denn Logik und Realität sucht man vergebens. Hier werden ellenlange Texte mit einem Messer in Bänke und Wände geritzt, die große Liebe wird dann doch hintergangen, eine Lehrstelle ist auf einmal nicht mehr existent und unterhaltswichtig… Es dominieren Unwahrscheinlichkeiten und viel zu viele Zufälle, die das wahre Leben so nicht bereithalten würde. Das reduziert die Geschichte auf einen typischen Liebesroman, der wenig Anspruch an die Leser stellt und in dem der Plot so lange zurecht gebogen wird, bis er ins Konzept passt.
Wiederholungen machen es nicht besser
In seinem dünnen Büchlein, das er nur geschrieben hat, damit Lotte es zufällig findet und liest (!) erzählt Emil noch einmal die ganze Geschichte seiner großen Liebe und ergeht sich in endlosen Rechtfertigungen, damit Lotte nach der Lektüre endlich versteht, unter welchem Zugzwang er sie verlassen musste. Eine einmalige Begründung für sein Handeln hätte genügt, denn es war nicht sonderlich schwer nachzuvollziehen. Aber Liebe und Schmerz in Endlosschleife ist mehr als ermüdend und nimmt jeden Schwung aus der Handlung. Dass dann diese Geschichte auch noch Melinas Erlebnissen mit ihrem Paul ähnelt, erntet nur Kopfschütteln und keine Empathie. Lediglich der gut geschilderten Suche Milenas nach Lotte ist es geschuldet, dass ich die Lektüre nicht vorzeitig abgebrochen habe. Sie hat die Hoffnung geschürt, dass der Roman doch noch die Kurve kriegt. Aber was als Schluss präsentiert wird, passte zum Rest – völlig unlogisch und rosarot-kitschig.
Fazit
Lassen Sie sich nicht von der Inhaltsangabe täuschen: Dieses Buch ist wirklich nur etwas für Liebesroman-Fans! Wenn Ihnen das wahre Leben bei Ihrer Lektüre nicht so wichtig ist und sie sich lieber in eine Alles-wird-gut-Geschichte hinein träumen – dann sind sie hier richtig. Allen anderen rate ich von „Blaue Nächte“ ab, die Enttäuschung wäre vorprogrammiert.
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