Marianengraben

  • Eichborn
  • Erschienen: Februar 2020
  • 3

- HC, 256 Seiten

Marianengraben
Marianengraben
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Carola Krauße-Reim
901001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2020

Vom Tod, der Trauer und dem Leben

Paulas Bruder Tim ertrinkt während eines Urlaubs. Das ist jetzt zwei Jahre her, und Paula verharrt in ihrem Selbstvorwurf, dass sie nicht bei ihm war, um ihn zu retten - und in ihren Depressionen, die sie völlig aus dem Leben geworfen haben. Tim liebte die Natur, die Fische und die Tiefsee. Die Biologin Paula liebt Tim, den 10jährigen Bruder, der immer so kluge Fragen stellte und jetzt einfach weg ist. Mit ihrem Therapeuten kann sie sich nur über Nudelgerichte unterhalten, zu persönlich ist ihr Verlust und ihr Schmerz. Und dann trifft sie Helmut.

Zwei Individualisten raufen sich zusammen

Paula lernt Helmut auf sehr skurrile Weise kennen. Während eines verbotenen nächtlichen Besuchs am Grab ihres Bruders, stolpert sie quasi in ihn, als er gerade die Urne seiner Ex-Frau ausgräbt. Helmut ist alt, gebrechlich und ein Griesgram. Aber einer mit eben viel Lebenserfahrung. Paula hat mehr mit ihm gemeinsam, als man annehmen könnte. Zwar nicht das Alter, aber ihre Introvertiertheit, ihre Schlagfertigkeit und eben ihre Trauer. Die beiden sind Individualisten, aber auch durch ihre Verluste verbunden und ehe sie sich versehen auch ein Team, das sich gegenseitig hilft und stützt.

Ein literarisches Roadmovie der anderen Art

Helmut hatte Helga versprochen, mit ihr noch einmal zu seinem Elternhaus ins Allgäu zu reisen. Doch dann ist sie einfach verstorben und er ist sauer, hat er sich doch auf seine alten Tage noch ein Wohnmobil erarbeitet und erspart, mit dem er sie überraschen und dorthin kutschieren wollte. Jetzt macht er die Reise halt mit ihrer Asche. Paula, die ihre Doktorarbeit aufgegeben hat, weil der Schmerz sie zu sehr betäubte, sagt in einem schwachen Moment zu, ihn zu begleiten. Und so beginnt ein Roadtrip der anderen Art. In dem altersschwachen Wohnmobil geht es gen Süden, aber mit sehr vielen (Pinkel-)Pausen, mit einem nicht ganz zu durchschauenden Hund und einem Huhn, das sie fast überfahren hätten. Mit viel Humor, Szenenwitz und Einfühlungsvermögen beschreibt Jasmin Schreiber diese Reise, die nicht nur zum Elternhaus von Helmut und dann auch noch nach Südtirol führt, sondern gleichzeitig ein Weg ist, der von der Trauer zurück ins Leben führt. Paula findet in Helmut ihren wahren Therapeuten, der es ohne Studium, aber mit viel Erfahrung schafft, sie aus ihrem tiefen Loch zu holen. Ohne es eigentlich zu wollen zeigt er ihr, dass sie absolut keine Schuld am Tod ihres kleinen Bruders trägt und bricht damit ihre Schale auf. Das erlaubt Paula, endlich ihren ganzen Schmerz mit unzähligen Tränenausbrüchen wegzuspülen und ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen - oder besser im Marianengraben, denn der ist für sie so tief wie die Liebe zu Tim und die Trauer um ihn. Aber Paula hilft auch Helmut, mit seiner Einsamkeit und dem Verlust seiner Familie fertig zu werden. Die beiden geben einander Halt, ohne es zu wollen und schaffen sich eine Geborgenheit, die ihnen so gefehlt hat.

Fazit

Jasmin Schreiber, Jahrgang 1988, ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin. Das merkt man ihrem Debüt „Marianengraben“ an. Mit viel Feingefühl und Behutsamkeit geht sie an das Thema Tod und Trauer heran. Dabei schafft sie mühelos den Spagat zwischen einem sehr humorvollen und wunderbar zu lesenden Schreibstil und der schweren Thematik. Es ist eine wahre Freude Paula, Helmut, Hund Judy, Huhn Lutz und Helga in ihrer Urne auf ihrer Reise zu begleiten.

Marianengraben

Jasmin Schreiber, Eichborn

Marianengraben

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