Eine Trennung ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man eventuell wieder zusammenkommt. Das mag paradox klingen, ist es aber nicht...
Wie hat es nur so weit kommen können? Zwei attraktive, erfolgreiche Mittdreißiger – Anglistik-Dozentin Charlotte und Firmenteilhaber Steve – sitzen in der Paartherapiepraxis von Sandy. Die gemeinsame Ehe? Ein Scherbenhaufen. Nicht zuletzt wegen Affären auf beiden Seiten. Die Verletzungen sitzen tief. Wie soll es weitergehen, wie die Fragen und Probleme klären rund um Geld, die Wohnsituation, die gemeinsamen Kinder? Und lässt sich am Ende vielleicht doch noch etwas kitten? Sandy hat alle Hände voll zu tun, die harte Schale der beiden zu knacken und die Augen nach der Möglichkeit zu echten Veränderungen in deren Beziehung offen zu halten. Doch gut stehen die Chancen nicht gerade …
„Ob sie sich wohl lieber scheiden lassen würden, als die schwierigen Dinge zu bereden? Gut möglich…“
Liebe ist die beste Therapie ist eine Art kleines, feines Kammerspiel, denn die Handlung findet fast ausschließlich – in intimer Dreierkonstellation – innerhalb der Eheberatungssitzungen statt. Charlotte und Steve lecken dort ihre Wunden und versuchen, neue Wege zur Kommunikation zu finden. Doch wie Sandy schnell feststellen muss, ist das bei diesem Paar gar nicht so leicht, denn sie sind nicht wirklich auf einer Wellenlänge und ihre Motive sowie die gegenseitigen Sticheleien und Problembewältigungsmechanismen erscheinen kaum kompatibel. Wenn es schwer wird, wirft Sandy einen Blick auf den vierten Stuhl in der Runde – einen leeren, grünen Sessel, auf dem während der Sitzungen sinnbildlich die (gescheiterte?) Ehe Platz nimmt, wie sie Charlotte später eröffnet. Und ganz parteiisch verteidigt Sandy die Position dieser Ehe. Das ganze Buch verfolgen wir aus Sandys Perspektive, die ständig versucht, ihre Patienten zu entschlüsseln und mit ungewöhnlichen, konfrontativen Methoden (die nicht immer durchgängig professionell wirken und in einer echten Eheberatung vermutlich selten zum Einsatz kämen) zu deren Selbstverständnis beizutragen. Der Stil ist dabei flüssig, angenehm und geistreich.
„Was außerhalb ihrer Praxis passierte, kümmerte sie nicht. Sandy war nur wichtig, was innerhalb dieser vier Wände geschah. Darauf musste sie sich konzentrieren, das war die eigentliche Geschichte…“
Leider kommt man den Figuren nie nah genug, um wirklich Anteil an dem zentralen Konflikt zu nehmen: ist diese Ehe noch zu retten? Folgt man den Gedankengängen Sandys, so scheint diese ihren Schützlingen stets einen Schritt voraus zu sein - als Leserin hat man hingegen das Gefühl, immer einen hinterherzuhinken. Gerade bei einer cleveren Prämisse wie dieser wäre es wünschenswert gewesen, dass Charlotte, Steve und Sandy sich einem erschließen und psychologisch vielschichtig gezeichnet sind, doch in dieser Hinsicht mangelt es dem Buch an Substanz. Zwar liest der Roman sich flott und nimmt gerade in der zweiten Hälfte, nachdem die Metapher des grünen Sessels offenbart ist, etwas an Fahrt auf, die geschilderten Charaktere und Situationen sind aber schlichtweg nicht interessant genug, um ein tiefergehendes Lesevergnügen zu erzeugen. Auch scheinen die Redeanteile Steves oftmals ein wenig zu kurz zu kommen, was die ganze Ausgangslage manchmal in ein schiefes Licht zu rücken droht. Das größte Manko ist aber vermutlich der Mangel an Witz, der bei einer locker-leichten, aber dialogbetonten Erzählung dieser Art das A und O gewesen wäre. Zwar blitzt immer mal wieder willkommener Humor auf, lässt aber meist viel zu viele Seiten lang auf sich warten.
Fazit
Liebe ist die beste Therapie hätte mit ein wenig Überarbeitung sicher gut als Theaterstück funktioniert. Zumindest ist John Jay Osborns eloquenter Schreibstil als sehr positiv hervorzuheben, und manch einer mag sich mit den Figuren und ihrem Dilemma gut identifizieren können – für solche trifft der Romanmöglicherweise sogar ins Schwarze. Für alle anderen bietet er immerhin kurzweilige Unterhaltung, jedoch leider ohne Nachhall.
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