Langer Abschied in Holt
Die Kleinstadt Holt ist die Heimat von Dad Lewis, einem alten Mann, der sein gesamtes Leben dort verbracht hat, an der Seite seiner Frau Mary und im Eisenwarengeschäft, das er sein eigen nennen durfte. Lewis kennt die Bewohner der Stadt - kennt sie aus dem Laden, wenn sie dort vorbeischauten, um etwas zu kaufen, kennt sie aber auch als Nachbarn und Freunde. Und viele Leute in Holt kennen Dad Lewis. Er ist ein lokales Urgestein. Dann erhält er eine vernichtende Diagnose: Es bleibt Dad Lewis nur noch wenig Zeit zum Leben. Außer Schmerztabletten kann der Arzt nicht viel verschreiben. Es bleibt nur noch die Möglichkeit, langsam Abschied zu nehmen…
Eine kleine Stadt in Colorado
Der Autor Kent Haruf wurde im US-Bundesstaat Colorado geboren. Dort siedelt er auch seine Romane an - stets in der fiktiven Stadt Holt, die stellvertretend für die dortige Provinz steht. In Kostbare Tage schreibt er vom Loslassen und Erinnern, von der schwierigen Aufgabe, jemanden für immer zu verlieren, und auch vom Tod selbst. Die Hauptfigur Dad Lewis verbringt die letzten Tage seines Lebens mit der gewissen Aussicht auf den baldigen Tod und möchte mit dem eigenen Dasein abschließen. Die Menschen um ihn herum versuchen, sich auf den Moment vorzubereiten, da er von ihnen gehen und sie zurücklassen wird.
Kent Haruf erzählt von Dad Lewis und von Holt. In vielen kleinen Anekdoten erweckt er die Vielfalt der Stadt zum Leben. Er erzählt von der Nachbarin, einer älteren Frau, die sich um die Enkelin kümmert und oft zu Besuch kommt, um auszuhelfen. Aber auch von den Angestellten im Eisenwarengeschäft und vom Pfarrer, der in Zeiten des Krieges seine ganz eigene Auffassung von Nächstenliebe in der Predigt zum Besten gibt, woraufhin ihm in der Provinz von Colorado eine Welle der Abneigung und Aggression entgegenschlägt und ihm die Nase bricht.
Die Familie
Im Mittelpunkt des Romans steht aber die Familie von Dad Lewis: Die Tochter Lorraine kehrt wieder ins Elternhaus zurück, um bei der Pflege des Vaters zu helfen und die Mutter zu entlasten; vielleicht auch, um den Eisenwarenladen zu übernehmen und in der Tradition der Familie weiterzuführen. Sohn Frank hingegen lässt sich nicht blicken - aber das ist auch kaum möglich, schließlich brach der Kontakt zu ihm schon vor mehreren Jahren ab. Frank weiß nicht, dass sein Vater bald sterben wird, und der Rest der Familie weiß nicht, wo Frank lebt und wie er zu erreichen ist.
Da ihm langsam die Sinne schwinden und er dem Tod näherkommt, erscheinen Dad Lewis Geister von Menschen, mit denen er noch reden muss, bevor er das Land der Lebenden verlässt. Darunter befindet sich natürlich auch sein Sohn Frank. Dad Lewis will sich noch mit ihm versöhnen und sich von ihm verabschieden. Er will nicht gehen, ohne sich vorher noch mit Frank ausgesprochen zu haben.
Kent Haruf schreibt nüchtern und direkt, Ausschmückungen und Schleifchen sucht man bei ihm vergebens. Die Handlung des Romans wird in authentischen, einfachen Dialogen vorangetrieben. Die Personen sind mitunter wortkarg und scheinen sich auf den ersten Blick nicht als Darsteller eines Dramas zu eignen. Aber darin liegt die Kunst Harufs, der seine Figuren aus der Provinz von Colorado nicht an den Roman anpasst; vielmehr schneidet er den Roman auf die Persönlichkeiten von Holt zu. Das erschafft einiges an Atmosphäre und Glaubwürdigkeit.
Fazit
Ein Familiendrama der stillen Art, mit viel Ruhe erzählt. Es vermittelt eine unscheinbare Welt, die in ihrer Tiefe zu beeindrucken weiß.
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