Hunger auf dem Land und Hunger in der Stadt
Lotte ist seit drei Tagen in Wien. Hunger ist ihr ständiger Begleiter und der Grund für die Flucht vom Land in die Stadt. In Wien, im Jahr 1938, gestaltet sich die Suche nach Arbeit äußerst schwierig und das heißt, dass Lotte oft mit leerem Bauch zu Bett gehen muss. Wie gut, dass sie fürs Erste bei ihrer Freundin Gisi Unterschlupf gefunden hat. Wenigstens ein Dach über dem Kopf – alles andere muss sich weisen.
Glück mit Großmutters Rezept
Für Lotte ist es ein Glücksfall, als sie im Café Schwarz endlich eine Stelle als Küchenhilfe erhält. Sie hat im Vorstellungsgespräch von Großmutters Apfelstrudelrezept geschwärmt und wahrscheinlich deshalb die Zusage erhalten. Nun gilt es, ihre Backkunst unter Beweis zu stellen und damit die Stelle für längere Zeit zu sichern.
Während sich Lotte im Café Schwarz einlebt und mit der launigen Chefin ein Auskommen sucht, verschlechtert sich die politische Lage zusehends – nicht nur in Wien: Hakenkreuze und politische Parolen prägen immer öfter das Straßenbild; die Bedrohungen nehmen ständig zu, vor allem für die Juden; die Menschen werden zunehmend ängstlicher.
Lotte ist kein politischer Mensch – ihr Fokus liegt auf ihrer Arbeit und ihrem wichtigsten Anliegen: Genug zu essen zu haben und ihre Chefin zufriedenzustellen. Als Lotte sich in Erich verliebt, scheint alles ein wenig einfacher zu werden. Doch das Glück währt nur kurz, denn Erich wird eingezogen.
Nicht nur für Wien, auch für Lotte beginnt eine schwere Zeit: Der Krieg ist allgegenwärtig und die Sorgen ohne Ende. Von Erich gibt es keine Nachrichten. Die Lebensmittel werden immer knapper und Lotte weiß nicht, was sie den Gästen im Café vorsetzen soll – abgesehen davon, dass sie selber nie genug zu essen hat. Sie beschließt, auf dem Land nach neuen Lebensmittelquellen zu suchen, und reist nach langer Zeit wieder in ihr Heimatdorf.
«Vor so vielen Jahren war sie wegen des Hungers weggegangen, jetzt kam sie immer noch wegen des Hungers zurück. Wie seltsam das Leben doch spielte…»
Kriegszeit in Wien
Viele historische Details rund um die Ereignisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Wien sind die Grundlage für den Roman von Katharina Schöndorfer. Sie bilden den Rahmen der Geschichte. Die schrecklichen Ereignisse zu Beginn und während des Krieges und das große Leid der Menschen packt die Autorin geschickt in die Geschichte von Lotte und dem Café Schwarz. Die Autorin versteht es, die Häuser und Gassen Wiens vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Bei den Beschreibungen der Mehlspeisen oder der Kaffeesorten läuft einem das Wasser im Mund zusammen und die verschiedenen Kunden im Café Schwarz mit ihren typischen Charaktereigenschaften sind treffend dargestellt und verbreiten ein wenig von dem Wiener Charme.
Leider bleibt beim Lesen eine gewisse Distanz zur Hauptfigur. Dies ist vor allem ihrem Verhalten den Mitmenschen gegenüber geschuldet, aber auch ihrer großen Naivität und ihrer Interessenlosigkeit für die politischen Entwicklungen - in erster Linie in Wien, aber auch in ganz Europa. Diese Charaktereigenschaften lassen Nähe einfach nicht zu.
«Und du bist also immer noch unpolitisch und nur auf deine eigene Person bedacht und deinen möglichst vollen Magen.»
Das ist sehr schade, bietet doch die Geschichte ideale Voraussetzungen für einen interessanten historischen Roman.
Fazit
Die historischen Ereignisse hat die Autorin sehr gut und leicht lesbar verarbeitet. Der Hauch von österreichischem Lebensgefühl und der Wiener Schmäh kommen verhalten, aber gut zur Geltung. Dieser Wiener Charme und die schönen Beschreibungen von der Stadt entschädigen etwas für die fehlende Nähe zur Protagonistin. Sie lassen auch über die etlichen langatmigen Passagen und Wiederholungen hinwegsehen.
Katharina Schöndorfer, Penguin
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