Ein dunkler Moment
- Luchterhand
- Erschienen: Januar 2011
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- München: Luchterhand, 2011, Seiten: 189, Originalsprache
Poetische Reise auf die dunkle Seite
2009: Der skurrile Pathologe Andrea Landolfi nimmt die junge Lucia als Anhalterin mit. Was ihm später keine Ruhe lassen wird, ist die Tatsache, dass diese genau so aussieht wie die Amerikanerin Amanda, deren Leiche er kürzlich begutachten musste. Und wirklich fährt er an diesem Tag Amandas Mörderin durch die Gegend. Jene Amanda, die exakt elf Jahre vorher selbst eine Rolle in einem furchtbaren Mord gespielt hat. Und die sich anscheinend überhaupt nicht gewehrt hat...
Was sich hier anhört wie der Auftakt zu einem Krimi oder Thriller ist nichts von beiden. Weder geht es um das Verhindern eines Verbrechens, noch um sein Aufklärung. Wer?, wann?, wie? - es wird dem Leser bereits auf den ersten Seiten von Ein dunkler Moment vor Augen geführt. Allein das "Warum" bleibt unverständlich, und das bis zum Schluss.
Die Autorin Rabea Edel wurde bereits für ihren ersten Roman Das Wasser, in dem wir schlafen mit Preisen ausgezeichnet, zum Teil auf Anregung keiner Geringeren als Herta Müller, Trägerin des Literaturnobelpreises 2009. Und auch ihr jüngster Roman hat glänzende Kritiken bekommen. Man darf gespannt sein, ob sich diese Vorschusslorbeeren auch in den Verkaufszahlen widerspiegeln, denn Ein dunkler Moment ist keine leichte Kost.
Die Autorin verwebt zwei reale Kriminalfälle; zumindest der Jüngere, der mutmaßliche Mord von Amanda Knox, wird den meisten Lesern noch im Gedächtnis sein. Und gleich im Klappentext kommt jene Amanda Knox selbst mit einem Zitat zu Wort, mit dem man den Roman treffend zusammenfassen könnte:
Die einzige Wahrheit ist, dass ich mir der Wahrheit nicht sicher bin. Ich war nicht dort.
Das erste Verbrechen: 1998 erschlägt der junge Billy in einer amerikanischen Kleinstadt sowohl seine Mutter, als auch seine jüngere Schwester. Seine ältere Schwester Amanda wusste wohl von seinen Plänen und akzeptierte sie stillschweigend. Billy wandert ins Gefängnis, Amandas Schuld bleibt vorerst ungesühnt. Auf den Tag genau elf Jahre später wird sie in Italien – allem Anschein nach mit ihrem Einverständnis – ermordet. Die Täterin nimmt Amandas Identität an und macht sich auf den Weg, Amandas Bruder in Amerika zu besuchen.
Im Laufe des Buches folgen wir den Bemühungen der italienischen Polizei, die Tat aufzuklären, allen voran dem morbiden Pathologen Gandolfi und seiner Ex-Freundin, der ebenso vom Tod faszinierten Tatortfotografin Claudia. Unterbrochen wird der Erzählverlauf immer wieder durch Postkarten von Billy, der ständig im Hintergrund lauert. Auch die Tote selbst kommt posthum zu Wort. Es werden Tatorte begutachtet, Beweise gesichert und Unschuldige verhaftet: Am Wesentlichen gehen die Ermittlungen vorbei.
Rabea Edel zeichnet in klarer, poetischen Sprache ein Netz von scheinbaren Zufällen, das den Leser in seinen Bann zieht. Das ständige "Und was machst Du, damit die Erinnerung gut wird?", mit dem Billy alle seine Karten an Amanda beendet, treibt den Leser durch diesen morbiden Irrgarten. Obwohl die Autorin auf Beschreibung expliziter Gewalt weitestgehend verzichtet, ist der (gewaltsame) Tod doch omnipräsent. Der Leser wird mitgerissen auf der Suche nach Antworten und bleibt doch seltsam unbefriedigt zurück.
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