Die Bibliothekarin von Auschwitz

  • Pendo
  • Erschienen: August 2020
  • 0

- OT: La bibliotecaria de Auschwitz

- aus dem Spanischen von Karin Will

- HC, 464 Seiten

Die Bibliothekarin von Auschwitz
Die Bibliothekarin von Auschwitz
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Julian Hübecker
991001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2020

Überleben in der Hölle

Auschwitz – ein Ort, der für die meisten als Sinnbild einer Schreckensherrschaft steht, die 1945 ihr Ende fand. Doch die Zeit hallt auch nach 75 Jahren nach, viele Überlende erzählen ihre Geschichten. Eine, die das Vernichtungslager überlebt hat, ist Dita; sie hat Glück gehabt, fand ihre Zuflucht in den Büchern, die es ihr zu verstecken gelang. So fand zumindest ein wenig Licht in das Lager von Auschwitz…

„Die Bibliothek war tatsächlich nicht sehr umfangreich. Eigentlich bestand sie nur aus acht Büchern, und eins davon war in beklagenswertem Zustand. Aber es waren Bücher.“

Der Journalist Antonio Iturbe war fasziniert und berührt zugleich von der Geschichte um die Bibliothekarin von Auschwitz. Dita Kraus‘ (damals junge 14 Jahre alt) einziger Fehler war es, Jüdin zu sein – zur Zeit des Nationalsozialismus gleicht dies einem Todesurteil. Doch sie überlebt nach Jahren der Strapazen, verliert Mutter und Vater und muss miterleben, wie viele weitere unschuldige Menschen malträtiert, geprügelt und vergast werden. Ihren Leidensweg erzählt sie Iturbe in vielen Interviews, das führt dann schließlich zu diesem Roman. Der Schrecken, der sich Seite für Seite offenbart, ist nicht das schlimmste, sondern vielmehr das Wissen, dass dieser einst lebende Menschen betraf und nicht einfach nach dem Schließen eines Buches endete.

„Die erste Lektion, die jeder Neuankömmling von den Alteingesessenen lernt, besteht darin, immer das oberste Ziel im Kopf zu behalten: überleben.“

Ditas Geschichte beginnt im Januar 1944: In diesem kalten Winter steckt sie bereits mittendrin, im Konzentrationslager Auschwitz in Polen. Sie befindet sich gemeinsam mit ihren Eltern in einem Nebenkomplex, dem sogenannten Familienlager. Hier werden ganze Familien reingesteckt – unabhängig vom Alter. Dies war ungewöhnlich, denn normalerweise wurden solche, die nicht arbeiten konnten – also Alte, Kranke und Kinder – unmittelbar nach der Deportation umgebracht. Doch warum machten die Nazis hier eine Ausnahme? Für Dita wird der schreckliche Grund erst mit der Zeit klar.

Bis dahin hat sie das einzigartige Privileg, eine Art Schule besuchen zu dürfen. Der jüdische Häftling Fredy Hirsch hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kindern zumindest ein wenig Normalität zu geben. Daher verwaltet er das Ganze und hält sogar Bücher versteckt, die die wenigen Lehrer benutzen dürfen. Doch der Besitz von Literatur ist auf Todesstrafe verboten – und so ernennt Fredy Dita zur Bibliothekarin, die sich extra Innentaschen in ihre spärliche Kleidung nähen lässt, um die Bücher von Baracke zu Baracke transportieren zu können.

Die hier erzählte Geschichte betrachtet nicht nur von Ditas Leben in Auschwitz, sondern auch von jenem weiterer Menschen, die im Familienlager untergebracht waren. Doch auch das ist nur ein Teil all jener Einzelschicksale, die sich im gesamten Konzentrationslager abspielten; wenn man sich dies vergegenwärtigt, macht das die Lektüre umso schwerwiegender und wichtiger. 

„Das Leben, jedes Leben, ist kurz. Aber wenn es dir gelingt, auch nur für einen Augenblick glücklich zu sein, dann hat es sich gelohnt.“

Wie soll man so ein Buch bewerten, das auf eine derart furchtbare Historie fußt? Die einzige Bewertung, die ich hier abgeben möchte, besteht in der Frage, ob Antonio Iturbe es geschafft hat, Ditas Geschichte einzufangen. Und diese Frage muss unbedingt mit Ja beantwortet werden! Den größten Fehler, den er hätte machen können, wäre gewesen, sich eindimensional nur auf Dita zu fokussieren und das Drumherum dabei zu ignorieren. Doch Ditas Wirken ist nicht der zentrale Punkt, sondern vielmehr das Miteinander im Familienlager und das Unterfangen, vor allem den Kindern nicht die Hoffnung zu nehmen, obwohl der Tod ein ständiger Begleiter ist.

Man lernt in dem Buch so viele Menschen kennen, vor allem Jüdinnen und Juden: einst angesehene Lehrerinnen, Ärzte oder Näherinnen, schließlich degradiert zu Untermenschen, nur noch wert zu sterben. Einige von ihnen werden zu kleinen Legenden - Fredy Hirsch etwa, dessen Schicksal bis heute ungewiss ist, der aber bis zum Schluss unerschütterlich für die Freiheit aller Juden einstand. Iturbe hat sowohl Sachlichkeit als auch Emotionalität eingebracht - je nachdem was für die jeweilige Passage angemessen ist - und damit seine Feinfühligkeit bewiesen.

Dieses Buch ist eines von vielen, die so wichtig in der literarischen Welt sind und zeigen, dass es eine Zeit in der deutschen Geschichte gab, die voller grauenvoller Abgründe ist. Vor allem aber zeigt es auch, dass Bücher helfen können, selbst in der dunkelsten Stunde ein wenig Licht zu spenden, und damit die Macht haben, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen.

Gegen das Vergessen.

Fazit

Die Bibliothekarin von Auschwitz ist ein bewegendes Zeugnis über ein junges Mädchen, das im Konzentrationslager eine wichtige Aufgabe erhielt: Bücher verwalten. Mit viel Fingerspitzengefühl, aber gnadenloser Ehrlichkeit erzählt Antonio Iturbe die Geschichte über das Familienlager und deren Insassen.

Die Bibliothekarin von Auschwitz

Antonio Iturbe, Pendo

Die Bibliothekarin von Auschwitz

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