Höhen und Tiefen
Maurice Hannigan hat sich zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau entschlossen, in ein Altersheim zu ziehen. Es ist sein letzter Abend vor dem Umzug. Haus und Hof sind verkauft, alles ist geregelt. An der Hotelbar sitzend, lässt er an diesem für ihn so bedeutungsvollen Ort, sein Leben Revue passieren …
«Ich bin hier, um mich zu erinnern – an alles, was ich gewesen bin, und an alles, was ich nie wieder sein werde.»
Bevor Maurice Hannigan nun endgültig ins Altersheim übersiedelt, möchte er fünf Menschen, welche einen besonderen Platz in seinem Leben einnehmen, noch einmal ganz besonders würdigen. An der Hotelbar sitzend erzählt in Gedanken seinem Sohn Kevin die dazugehörenden Geschichten und spricht für jede der fünf Personen einen Toast aus.
Fünf Toasts für fünf besondere Menschen
Der erste Toast gebührt Maurice’ Bruder Tony: Ihn hat er besonders bewundert und seinen Verlust nie ganz verwunden. Weitere Toast werden auf die Tochter Molly, die Schwägerin Noreen, den Sohn Kevin und die Ehefrau Sadie ausgesprochen. Jeder hat eine besondere Stellung in Maurice’ Leben, doch am meisten bedeutet hat ihm seine Frau Sadie; ihren Tod verkraftet er nur schlecht.
«Niemand, niemand versteht wirklich etwas von Verlust, bis jemand geht, den man liebt. Und zwar mit dieser tiefen Liebe, die du bis in die Knochen spürst und die sich bis unter deine Fingernägel gräbt, so schwer zu bewegen wie festgetretene Erde.»
Sein ganzes Leben, ausgerollt und analysiert, zieht an diesem Abend an Maurice vorüber. Ein paar Dinge möchte er noch in Ordnung und zum Abschluss bringen, bevor er ins Altersheim zieht. Er hat alles entsprechend vorbereitet, und bereit ist nun auch Maurice ...
Die Idee, an einer Hotelbar zu sitzen und Bilanz zu ziehen, die hat was. Doch wenn ein Leben so viele Höhen und Tiefen aufweist wie dasjenige von Maurice, dann wird das sehr emotional. Trotzdem ist es der Autorin Anne Griffin hervorragend gelungen, die Balance zu halten und aufzuzeigen, dass der nun so redselig wirkende Mann in der Vergangenheit doch recht schwierig und wortkarg war.
«Es ist alles fertig in meinem Kopf, aber es vor aller Welt laut auszusprechen, einem lebendigen Wesen gegenüber? Dazu sind wir eben nicht erzogen worden.»
Ein knorriger Charakter und schwieriger Zeitgenosse - unerwartet offenbart sich an diesem Abend deshalb seine Sensibilität. Er nimmt den Leser mit auf seine Reise in die Vergangenheit und erzählt von seiner Jugend auf der Farm und wie er Landbesitzer, Ehemann und Vater geworden ist. Diese Zeitreise lässt den Leser eintauchen in das Irland der Farmer und deren harten Lebensbedingungen.
Eine wunderschöne und ergreifende Geschichte; hätte es sich nur ergeben, neben Maurice an dieser Bar zu sitzen und zuzuhören.
Fazit
Die Geschichte eines gelebten Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen. Sie wird leise und mit viel Gefühl für die Sprache erzählt, sodass der Leser gerne gemeinsam mit Maurice Hannigan auf dessen Leben zurückblickt, in Erwartung der Geschichten von ganz besonderen Menschen, die sein Leben wesentlich beeinflusst und bereichert haben. Eine wunderbar ergreifende Lektüre!
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