Ein Corona-Kammerspiel
Bambi hat es nicht leicht: Seine Freundin findet heraus, dass er fremdgeht, und schmeißt ihn aus der gemeinsamen Wohnung. Obendrein hat auch noch das Corona-Virus das Leben in Nigerias größter Stadt Lagos fest im Griff. Bambi macht sich deshalb auf die Suche nach einer Bleibe - schließlich herrscht Ausgangssperre und eigentlich darf niemand das Haus verlassen. Bei seiner Tante Bidemi kommt er zwar unter, doch hier erleidet er den nächsten Schock: Im Haus seines kürzlich verstorbenen Onkels wohnen zurzeit nicht nur seine trauernde Tante, sondern auch Esohe, die Geliebte seines Onkels, und – ein Baby. Zunächst geht Bambi davon aus, dass seine Tante die Mutter des Kindes ist, doch Esohe hat eine ganz eigene Version der Geschichte. Der verzweifelte Bambi muss eine Entscheidung treffen: Welcher Frau soll er glauben ..?
Wenn zwei sich streiten, leidet der Dritte
Mit ihrem Debüt Meine Schwester, die Serienmörderin hatte Oyikan Braithwaite im letzten Jahr ins Schwarze getroffen und gleich mal einen Sunday-Times-Bestseller gelandet. Mit Ironie, rasantem Tempo und Scharfsinn lieferte sie einen Einblick in die vom Patriarchat geprägte nigerianische Gesellschaft. Ihr zweites Werk versucht thematisch daran anzuknüpfen, obwohl Handlung und Figuren nichts mit der Geschichte des Vorgängers zu tun haben.
Das Baby ist meins ist eine der ersten Corona-Geschichten, die langsam aber sicher den Buchmarkt erobern. Aber keine Panik: Das Virus steht hier nicht im Fokus. Stattdessen hat sich Braithwaite der landesweiten Ausgangssperre bedient, um ihre Figuren in eine Schmelztiegel-Situation zu bringen, aus der sie nicht so einfach entkommen können. Auf diese Weise werden Bambi, Bidemi und Esohe gezwungen, ihre Konflikte offen auszutragen. Der arme Bambi steht dabei zwischen den Stühlen und kommt mit den zankenden Frauen nicht zurecht. Doch dass hinter dem Zickenkrieg mehr steckt als banale weibische Streitigkeiten wird selbst Bambi bald klar. Seine Tante kämpft mit dem Älterwerden und der Wut auf ihren verstorbenen Mann, der sie mit einer Jüngeren betrogen hat. Esohe wiederum verkörpert genau das, was Bidemi vermisst: Jugend, Kraft und ein Leben voller Möglichkeiten. Aber Esohe treibt eine Rastlosigkeit um, die es ihr schwermacht, ihrem Leben Struktur zu verleihen. Ein Baby würde die Probleme beider Frauen lösen - das denken sie zumindest. Und so entbrennt ein Kampf um ein Kind, dessen sich überraschenderweise gerade Schwerenöter Bambi immer mehr annimmt, während die Frauen einander das Leben schwer machen.
Die Frage nach der Mutterschaft ist auch die treibende Kraft, welche die Leser durch die gerade mal 128 Seiten zieht. Denn obwohl die intrigierenden Frauen großes Spannungspotential versprechen, halten sie sich erstaunlich zurück. Irgendwann plätschert der Konflikt nur noch träge vor sich hin, bis man am Schluss auf eine Pointe stößt, die ziemlich schwach daherkommt. Der Witz, der Braithwaites Debüt ausgemacht hat, kommt hier deutlich zu kurz und die Präzision, mit der die Autorin Konflikte in Szene setzen kann, schwächelt. Die Geschichte, so gut die Idee dazu auch sein mag, wird nicht so dicht erzählt, wie es das Konzept eigentlich verdient hätte. Da stellt sich nur die Frage, ob sich die Anschaffung des Büchleins für 2 - 3 Stunden Lesebeschäftigung tatsächlich lohnt …
Fazit
Oyikan Braithwaites zweites Buch kann mit ihrem Erstlingswerk nicht mithalten. Es ist nicht ganz so schwarzhumorig, nicht ganz so clever und vor allem nicht ganz so spannend. Das kann die Autorin eigentlich besser.
Oyinkan Braithwaite, Blumenbar
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