Die kanadische Nacht
- Klett-Cotta
- Erschienen: Januar 2021
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- HC, 200 Seiten
Die Reise zu sich selbst
Der Ich-Erzähler macht sich auf den Weg nach Kanada zu seinem sterbenden Vater. Jahrelang war der Kontakt nur eingeschränkt und die Entfremdung entsprechend groß. Doch der letzten Wunsch des Vaters, den Sohn noch einmal zu sehen, veranlasst den Erzähler, sich auf die Reise zu begeben ...
Die Papierperson
Der Vater ist vor vierzig Jahren mit seiner zweiten Frau nach Kanada ausgewandert. Weit weg von der Enge seiner deutschen Heimat hat er dort seinen Lebensmittelpunkt gefunden. Der Sohn hat sich bereits früh vom Vater distanziert und an dessen Leben nicht mehr wirklich teilgenommen. Erst als der Vater älter wird, beginnt dieser, Briefe - und später Mails - an den Sohn zu verfassen und ihn damit an seiner Vergangenheit teilhaben zu lassen …
«So war er mir zu einer Papierperson geworden, über deren Herkunft ich mehr wusste als über ihre Gegenwart, auch wenn derlei Erinnerungen in ihrer anekdotischen Harmlosigkeit eher dazu dienen, ein Schweigen über all die Abgründe zu legen, die im Rückblick beunruhigt und aus dem eigenen Leben ein weniger überschaubares Gelände gemacht hätten.»
Die lange Fahrt
Während der Fahrt durch die kanadische Nacht erinnert sich der Erzähler in Sequenzen an seine Kindheit und analysiert gleichzeitig sein jetziges Leben. Immer wieder kehrt er in Gedanken auch zu seinem aktuellen Buchprojekt, einer Biographie über einen Dichter, zurück. Teile des Buches wurden von der Witwe verworfen, sodass es für den Autor nicht mehr stimmig ist. Was wird nun aus dieser Arbeit, welche über zwei Jahre seiner Zeit in Anspruch genommen hat?
Diese Auseinandersetzung mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit lässt ihn gleichzeitig Parallelen zum Leben seines Vaters finden und daraus wichtige Erkenntnisse ziehen. Die Reise zum Vater ist damit gleichzeitig eine Reise zu sich selber geworden:
«Meine Herkunft werde ich nicht los, weil sie mich ausmacht, egal wohin ich fahre. Und deshalb fuhr ich jetzt zu ihm, wo ich nie war, denn da komme ich her.»
Jörg Magenau ist mit dem Roman Die kanadische Nacht eine wunderbare Geschichte auf nur zweihundert Seiten gelungen. Berührend und bewegend erzählt er von einem Sohn auf der inneren wie auch realen Reise zu seinem Vater und zu sich selbst. Mit ihrem wunderschönen Stil ist die Lektüre ein Lesegenuss und schwingt noch eine Weile nach.
Fazit
Eine bewegende Geschichte über die Reise zu sich selbst. Auf dem Weg sammelt der Ich-Erzähler kleine Puzzleteile, welche sich dann zu einem Ganzen fügen und ihn sich selbst und auch seinen Vater finden lassen. Eine besinnliche, nachdenkliche Lektüre, sprachlich wunderbar formuliert.
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