Eine Pionierin der besonderen Art
Simone de Beauvoir war ihrer Zeit immer einen Schritt voraus. Anfangs des 20. Jahrhunderts war es noch undenkbar, dass eine Frau selbstständig ihr Leben lebt und sich für ihre eigene Unabhängigkeit einsetzt. Doch Simone brennt, kämpft und leidet dafür - und verliert nie ihre Ziele, die eigene Freiheit und den Wunsch, ein Buch zu schreiben, aus den Augen ...
Verarmt, aber aus gutem Haus
Simone ist eine äußerst kluge junge Frau. Ihre Leidenschaft gehört der Literatur und dem Schreiben. Sie verbringt Stunden in der Bibliothek, lesend und nachsinnend. Ihr großer Traum ist es, selbstbestimmt zu leben. Und sie möchte ein Buch schreiben.
Ihr Studium muss sie sich hart erkämpfen, und gerade weil ihre Eltern nicht vermögend sind, ist sie keine für die Heirat in Frage kommende Partie. Weil dem so ist, wird es für Simone einfacher möglich, an der Sorbonne zu studieren - ein kleiner Schritt in Richtung eines großen Ziels.
«Inzwischen war sie froh, dass sie keine Mitgift hatte. Nur deshalb waren ihre Eltern ja einverstanden, dass sie ein Lehrerinnenexamen machte. […] Ein Nachteil hatte sich für sie in einen Vorteil, in eine echte Chance zur Freiheit verwandelt.»
An der Universität lernt sie Jean-Paul Sartre kennen. Ihm eilt der Ruf voraus, ein brillanter Denker zu sein. Die beiden freunden sich an und merken bald, dass sie Seelenverwandte sind. Er bewundert ihre Klugheit sehr und ist beeindruckt von ihrer Denkweise und ihrem Freigeist. Die beiden verketten sich immer mehr und spornen sich gegenseitig zu denkerischen Höchstleistungen an. Simone wird für Sartre Geliebte, Lektorin, Gesprächspartnerin. Und für sie ist es eine absolute Bereicherung, mit Sartre zu diskutieren, zu analysieren und zu philosophieren. Sie behandeln sich total gleichberechtigt, und Sartre ist in der Lage, Simone aus ihren dunklen Stimmungen zu holen und sie stets aufs Neue zu motivieren.
Mit der Zeit schwindet die Liebe zwischen Simone und Sartre. Die intellektuelle Ebene gewinnt dafür noch mehr an Wichtigkeit, und die beiden versichern sich immer wieder ihrer Loyalität. Sartre verliert sich zwischendurch in amouröse Abenteuer, während Simone seine Texte lektoriert und ihm den Rücken freihält. Anfangs ist dies für Simone nicht einfach, hängt sie doch mit ganzem Herzen an Sartre. Aber sie lernt, ist neugierig, lebenslustig und immer für Experimente zu haben, und so stürzt sie sich in vielseitige und vielfältige Abenteuer - immer mit dem Ziel, so frei wie irgend möglich zu sein und ihr Leben zu leben.
Die Kämpferin
Die Autorin beschreibt in diesem biographischen Roman, ohne Abstriche an die Denkweise von Simone de Beauvoir zu machen, aus deren Leben in den Jahren von 1923 bis 1951. Man muss sich beim Lesen immer wieder vor Augen halten, dass es in der damaligen Zeit unvorstellbar war, dass eine Frau selbstbestimmt leben durfte, von Gleichberechtigung ganz zu schweigen. Die Männer dominierten das ganze Dasein, und den Frauen war der Platz im Haus und bei den Kindern bestimmt. Eine Ausbildung oder gar ein Studium war den Männern vorbehalten.
«Und mit einem Mal überkam sie eine haltlose Freude, denn ihr wurde etwas bewusst: Für Sartre war es selbstverständlich, die Agrégation zu machen und einen Posten als Lehrer anzunehmen. Für sie als Frau galt das keineswegs. Sie hatte all das gewählt, für sie war es ein weiterer Schritt zu ihrer Befreiung, während es für Sartre lediglich ein selbstverständliches Stück Freiheit war.»
Das freiheitliche Denken, wie es Simone de Beauvoir ein Anliegen war, war in der damaligen Zeit ein Skandal - ganz zu schweigen von ihrer Lebensweise. Doch Simone wäre nicht Simone, wenn sie nicht ihr ganzes Leben auf ihre eigene Art gelebt hätte. Dass sie dabei dennoch Kompromisse machen musste, ist wahrscheinlich und nicht auszuschließen.
Dies alles zum Ausdruck zu bringen und de Beauvoirs Gedanken verständlich zu formulieren, das hat Autorin Caroline Bernard verstanden und sehr gut umgesetzt.
Fazit
Ein interessanter biographischer Roman, welcher einen bestimmten Zeitabschnitt im Leben von Simone de Beauvoir beleuchtet. Die nicht einfache, doch aus denkerischer Sicht fruchtbare Beziehung zu Sartre ist sehr gut dargestellt und zeigt die vielen inneren Kämpfe, welchen sich Simone ausgesetzt sah. Die Lektüre ist verständlich und gut lesbar formuliert, ohne dass das philosophische Gedankengut von Simone de Beauvoir an Ausdruckskraft verliert.
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