Vom Grunzen und Ganzen – eine Liebeserklärung an eine Seele von Schwein
Die Tierforscherin Sy Montgomery und ihr Mann Howard kehren an einem regnerischen Frühlingstag vom Besuch auf einer benachbarten Schweinefarm mit einem kleinen, kränklichen Ferkel in einem Schuhkarton nach Hause zurück. An diesem Abend ahnen die beiden noch nicht, auf was sie sich einlassen - denn die Adoption des Schweinchens wird ihr Leben verändern ...
Ein großes Schwein war auch mal klein
Christopher Hogwood - so wird der gefleckte Winzling nach einem berühmten Musikologen klangvoll benannt - kommt in einer schwierigen Zeit in seine neue Familie: Sys Vater liegt im Sterben, der Abgabetermin für ihr erstes Buch steht vor der Tür und ihre Bleibe, ein angemietetes Bauernhaus in Hancock/New Hampshire droht das Paar verlassen zu müssen.
Mit dem geschwächten Ferkelchen werden die Sorgen nicht weniger - doch die Naturforscherin, die ihr Herz sofort an Christopher verloren hat, schöpft aus der neuen Aufgabe Kraft und Zuversicht. Zwar hat sie keine Erfahrung in der Haltung von Schweinen und fundiertes Fachwissen über Schweine als Hausgenossen ist rar, aber voller Enthusiasmus widmet sie sich der Ferkelpflege, und das mit „wachsendem“ Erfolg. Anfänglich noch klein wie eine Katze, wächst das Ziehschwein zunehmend. „Der Rest der Geschichte ist Speck“ - Christopher gedeiht zu einem staatlichen Eber, dessen Versorgung und Betreuung den Alltag von Sy und Howard bestimmt.
Ein erster behelfsmäßiger Verschlag wird in einen „pig palace“ mit elektrischem Licht umgebaut, ein „Schweineplateau“ sorgt für Auslauf, und das tierische Familienmitglied erhält ausgiebige Ganzkörperpflege. Die Futterversorgung als primäre Aufgabe im „eberzentrischen“ Tagesablauf der begeisterten Schweinehirten, funktioniert dank eines weitverzweigten Zuliefernetzes von Freunden, Anwohnern, Institutionen bis hin zu Feinschmeckerrestaurants reibungslos.
Stattlich, sympathisch und schlau
Es dauert nicht lange und Christopher ist bekannt wie ein „buntes Schwein“ - nicht zuletzt weil er sich als Ausbruchsspezialist auf seinen eigenständigen Ausflügen in die nähere Umgebung sehr aufgeschlossen zeigt. Seine Popularität steigt mit den Jahren so weit, dass er zum Medienstar und Fotomodell wird. Nicht nur sein geflecktes Äußeres und seine gewaltige tonnenschwere Statur mit dem mächtigen Schädel und den spitzen Hauern, sondern vor allem sein freundliches Wesen begeistert seine Fangemeinde. Dem sympathischen Familienschwein gelingt es mit charmanter Beharrlichkeit und gewiefter Schweineschläue stets, seine Vorstellungen durchzusetzen, die immer auf höchsten Genussgewinn zielen. Als schlemmender Performer werden seine Fütterungen zu regelrechten Events und Besuche bei ihm zum Brennpunkt gemeinschaftlicher Freude, da die pure Lebenslust, die das glückselige Schwein ausstrahlt, sich auf seine Zuschauer überträgt. Sein Schweineleben lang ist Christopher für sein Umfeld ein wahrer Glücksbringer.
Was Sie schon immer über Schweine wissen wollten ...
Sy Montgomery ist als Autorin des Bestsellers Rendezvous mit einem Octopus einem großen Lesepublikum bekannt geworden. Ihr Buch Das herzensgute Schwein ist weit früher erstmalig erschienen und wurde nun erneut veröffentlicht.
Der anrührende Lebensbericht des Adoptivschweins ist neben vielen, auch lustigen Anekdoten mit zoologischem Wissen und soziokulturellen Hintergründen versetzt. Dazu verrät die Darstellung des gemeinsamen Alltags mit Christopher viel über die Verfasserin selbst: Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt den Tieren, die eine so bedeutsame Rolle in ihrem Leben spielen. Von Kindheit an ist die Beziehung zu ihren tierischen Mitgeschöpfen eine ganz besondere, und Sy fühlt sich ihnen oft verbundener als ihren Mitmenschen. Wenn sie sich also vergleichbare große Sorgen um ihre Mutter im Krankenhaus und ihre ebenfalls erkrankte Hündin macht, wirkt das vielleicht etwas befremdlich, aber sehr authentisch. Insofern schloss sich mit der Ankunft Christophers der Kreis, denn der gesellige Eber zeigte sich im sozialen Miteinander nahezu „menschlicher“ als seine ihm ergebene Versorgerin, knüpfte Freundschaften in Kürze u.ä., und brachte damit auch Sy ihren Nächsten näher.
Dankbares Geben und Nehmen
Lebensfreude, Nächstenliebe, Heimat - die Summe an Segnungen, die Christopher ihrem Leben schenkte, lässt Montgomerys Buch zur empathischen Danksagung werden. Für manche Leser vielleicht ein bisschen viel Begeisterung; doch ihr Zen-Schwein war für sie ein wahrer Lehrmeister in Sachen Glück. Seine Geschichte ließ sie die Wahrheit erleben, dass Glück zu jeder Zeit, in jeder Gestalt passieren kann und nur darauf wartet, angenommen zu werden - mitunter auf ungewöhnlichen Wegen, beim Wagen neuer Dinge. Mit ihrer Tierliebe sieht sie sich in die Tradition des Heiligen Franziskus, Schutzpatron aller Tiere, mit dem Gebot, diesen zu helfen, „wo sie dessen bedürfen“. Sy Montgomery rettete ein Ferkel vor dem sicheren Tod auf der Schlachtbank und fand das Glück der Erde gekuschelt an einen Schweinerücken.
Fazit
Ein freundliches Buch über ein freundliches Schwein. Sy Montgomery fängt schön das Glücksgefühl und die Erfahrungen der gemeinsamen Jahre mit ihrem tierischen Gefährten ein.
Ein kleines Schweinekompendium mit Denkanstößen.
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