Als Erinnerung und wider das Vergessen
Zwischen den beiden Liebespaaren liegen mehrere Jahre und ein schrecklicher Krieg ...
In der Gegenwart versucht der Historiker Rick, Spuren seines Großvaters zu finden. Seine Suche führt ihn an den Bodensee, wo er Valerie kennenlernt. In der Familiengeschichte von Valeries Großeltern zeigen sich ähnliche Vorkommnisse. Gibt es zwischen den beiden Familien Gemeinsamkeiten, eine Verbindung?
Seifenblasen
Antoine Mardieu will auf keinen Fall in die Fußstapfen seines Vaters treten und als Uhrmacher sein Geld verdienen; sein Traum ist es, Musiker zu werden. Doch die beiden älteren Brüder werden während des Zweiten Weltkrieges eingezogen und geraten in Gefangenschaft. Diese Hiobsbotschaften lassen den Vater krank werden, und nun liegt es an Antoine, für die Familie zu sorgen. Er lässt sich deshalb von seinem Freund Georges überreden und tritt der Miliz bei. Der Sold wird seiner Familie das Überleben sichern. Eines Abends springt Antoine als Musiker bei einem Auftritt ein und weckt das Interesse des Gestapo-Chefs Barbie. Im Glauben, als Unterhalter zu dienen, wird er immer mehr zu Barbies persönlichem Assistenten.
Auf einer Erkundungstour im Chartreuse-Massiv lernt Antoine Marguérite, eine Betreuerin des Kinderheims in Izieu, kennen. Sie werden ein Liebespaar, müssen aber ihre Liebe vorerst geheim halten. Im Zuge seiner Einsätze für die Miliz und für die Gestapo und unter Einfluss der Beziehung zu Marguérite, verändert sich Antoines Einstellung zum Regime: Er wird kritischer und erkennt das unmenschliche Verhalten der Nazis mehr und mehr. Seine Neider im Dunstkreis von Klaus Barbie warten nur auf einen Fehler – und genau deshalb wird es für Antoine und sein Umfeld immer gefährlicher ...
Auf Spurensuche
Als Historiker ist Rick Mardieu in seinem Element. Als ihn seine Großtante Adèle bittet, mit ihr an den Bodensee zu fahren und nach Hinweisen nach ihrem Bruder Antoine, Ricks Großvater, zu suchen, ist er aber nicht gerade begeistert. Der Zeitpunkt ist ungünstig, und die Reise könnte für die betagte Adèle zu strapaziös werden. Doch Adèle ist beharrlich. Am Bodensee trifft Rick auf die Segelschullehrerin Valérie und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Obwohl Valérie gerade in einer Lebenskrise steckt, lässt sie sich auf Rick ein. Sie erfährt die Hintergründe seiner Spurensuche und stellt überraschend fest, dass es etliche Übereinstimmungen zwischen der Geschichte ihrer und Ricks Großeltern gibt. Es scheint, als ob die Vergangenheit noch ein Geheimnis verborgen hält ...
Vor dem Hintergrund der deutschen Besatzung in Frankreich im Zweiten Weltkrieg erzählt die Autorin Clara Frey die Geschichte von Antoine und Marguérite. Sie führt in die Gegend von Lyon und in das Chartreuse-Gebirge nach Izieu. Die Vorkommnisse rund um das Kinderheim in Izieu sind ein weiteres schreckliches Kapitel des Zweiten Weltkrieges. Clara Frey beschreibt mit viel Feingefühl das Leben und Leiden dieser Kinder. Es entwickelt sich beim Lesen eine Verbundenheit und Anteilnahme, und man hofft und bangt mit ihnen. Großen Respekt verdienen all die vielen Menschen, die sich unter Einsatz ihres Lebens für die Kinder stark gemacht haben.
Zu Beginn und am Ende des Romans geht die Autorin speziell auf die historisch gesicherten Tatsachen ein. Das verstärkt die Wirkung des Romans zusätzlich. Ebenfalls historisch untermauert ist die Geschichte der Insel Mainau. Dorthin reisen ja Rick und seine Großtante Adèle auf ihrer Spurensuche. Auch hier verarbeitet Clara Frey geschichtliche Hintergründe und setzt sich für das Erinnern und wider das Vergessen ein.
Die historischen Details sind verständlich dargestellt und gut formuliert. Es ist der Autorin anzurechnen, dass sie auf die Art und Weise der Bestrafungen und die angewandten Foltermethoden nur ansatzweise eingeht.
Obwohl die Lektüre hin und wieder Längen und Wiederholungen aufweist, ist sie gut zu lesen und informativ.
Fazit
Zwei Liebesgeschichten – eine in der Vergangenheit, eine in der Gegenwart – vermögen den schrecklichen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Vichy-Regime im Zweiten Weltkrieg und dem Geschehen rund um das Kinderheim in Izieu nicht den Schrecken zu nehmen. Dennoch ist es Clara Frey gelungen, historische Tatsachen mit einer fiktiven Handlung zu vereinen und in einen gut zu lesenden Roman zu verpacken.
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