Das Tal in der Mitte der Welt
- Luchterhand
- Erschienen: Juni 2021
- 1
- OT: The Valley at the Centre of the World
- aus dem Englischen von Klaus Berr
- HC, 384 Seiten
Ein Mikrokosmos in Shetland
Der in Shetland aufgewachsene Malachy Tallack war bis jetzt ein viel beachteter und mit Preisen ausgezeichneter Sachbuchautor. Mit Das Tal in der Mitte der Welt hat er nun auch in Deutschland sein Romandebüt vorgelegt, das nach seinem Erscheinen im Original 2018 gleich zweimal für Auszeichnungen nominiert wurde.
Ein einsames Tal mit wenigen Bewohnern
Tallack entführt den Leser in ein entlegenes Tal auf einer der Shetlands. Aufgrund seiner Südwest-Ausrichtung ist es - noch mehr als andere Landstriche der kargen Inseln - den Tücken des Wetters ausgeliefert: Die See ist alles andere als ruhig, der Regen peitscht ungehindert hinein und der Wind scheint sich nie zu legen. Nur wenige Bewohner haben hier weit auseinander liegende Häuser; wer auf der einzigen Straße vorbeifährt, wird am Motorengeräusch erkannt. Doch die Entlegenheit bedingt auch ein enges menschliches Miteinander: Hier wird selbstverständlich einander geholfen, doch es bleibt auch nichts verborgen; Geheimnisse gibt es nicht. Als Maggie, die älteste Bewohnerin, stirbt, ändert sich die Konstellation im Tal. David erbt ihr Haus und übernimmt gleichzeitig die Rolle des Ältesten. Er ist hier geboren und wird auch hier sterben, wie seine Vorfahren. Neben ihm und seiner Frau Mary wohnen nur noch wenige Menschen im Tal: Sandy, der von ihrer Tochter verlassene Freund; Terry, der von seiner Frau rausgeschmissen wurde und wieder hier gelandet ist; und Alice, eine zugezogene junge Autorin, die den Tod ihres Mannes überwinden will. Das Leben ist recht eintönig und so passiert auch nicht wirklich viel in der Geschichte - bis David ein Haus an ein fremdes Ehepaar vermietet und von ihnen betrogen wird. Und das bleibt nicht die einzige Katastrophe, die es zu verkraften gilt.
Natur und Mensch bestimmen die Geschichte
Das Tal ist ein Mikrokosmos, in dem sich die ganze Welt zu spiegeln scheint. Alle Probleme im Großen sind auch hier im Kleinen zu finden: Verlassene Partner, Betrug, Alkoholismus, Tod, Trauer, Einsamkeit, Verlust und sogar eine Art Flüchtlingsproblem wird in Person von Sandys Mutter angerissen. Doch letztendlich läuft alles auf ein Thema hinaus: Liebe. An einzelnen Tagen während einer Zeitspanne von 10 Monaten beschreibt Tallack das Leben und vor allem das Zusammenleben der Menschen in diesem Tal. Ihre enge Verbundenheit mit der Natur und den Tieren bestimmt weitgehend den Tagesablauf, auch wenn sie nicht im Tal arbeiten. Diese Atmosphäre fängt der Autor beeindruckend ein. In kraftvoller Sprache lässt er den Leser teilhaben an den kleinen und großen Katastrophen, den Ängsten und Wünschen eines jeden Bewohners. Die Charaktere sind brillant herausgearbeitet, das menschliche Miteinander sehr realistisch dargestellt. So macht es Spaß, dieser Gemeinschaft zu folgen, auch wenn die Handlung manchmal etwas auf der Stelle zu treten scheint. Doch vor allem die sehr stimmungsvollen Beschreibungen der Landschaft, des Wetters und der Natur mit den unzähligen Schafen machen da einiges wieder gut. Erst als David das Rote Haus an ein betrügerisches Ehepaar vermietet, kommt das Ganze in Bewegung und die Geschichte wird richtig spannend. Wenn der Autor dann noch eine weitere Katastrophe draufpackt, ist im Tal ungewöhnlich viel los und der Leser vollkommen gebannt vom Geschehen
Fazit
Ein Buch wie ein Sturm! Manchmal scheint er abzuflauen, bevor er wieder richtig Fahrt aufnimmt. Der Roman lebt von den atemberaubenden Naturbeschreibungen und den eindringlichen Figuren, deren Geschichte kraftvoll und mitreißend erzählt wird. Ein sehr eindrücklich gelungenes Romandebüt!
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