Die Lage spitzt sich zu – der Widerstand formiert sich
Der Zweite Weltkrieg tobt erbittert. Felicitas Marquardt, Lehrerin mit Leib und Seele und eine Verfechterin der Reformpädagogik, kann zwar trotzdem weiter unterrichten, muss aber die Vorgaben des Naziregimes einhalten. Diese Aufgabe und die immer schlimmer werdenden Zustände in Hamburg lenken sie nur oberflächlich von der Verhaftung ihres Freundes Levi ab. Zusammen mit Paul, ihrem ehemaligen Schüler, und anderen Gleichgesinnten, vor allem Studenten, trifft sich Felicitas zu einer Art Literatur- und Lesezirkel. Diese Treffen sind jedoch nicht nur dem Lesen der inzwischen verbotenen Autoren und deren Werke gewidmet - sie dienen auch dem Widerstand gegen das Regime ...
In der Hölle
Während Felicitas sich mit Gleichgesinnten für den Widerstand einsetzt, wird der Druck auf die Juden in Hamburg immer heftiger. Sie werden gedemütigt, enteignet und dann in Lager abgeschoben. Gerüchte machen die Runde, dass in den Lagern im Osten unmenschliche Zustände herrschen. Noch mag man ihnen keinen Glauben schenken. Doch das ändert sich bald.
Felicitas‘ Freund Levi wurde nach seiner Verhaftung erst in das KZ Sachsenhausen gebracht. Dort erhält er - trotz erstem Zögern - die Möglichkeit, inhaftierte Kinder zu unterrichten. Ihnen Wissen und Menschlichkeit zu vermitteln wird ihm zur täglichen Herausforderung und lässt ihn so etwas wie Würde bewahren. Doch dann wird er in das KZ Buchenwald verlegt.
«Man muss der Hölle keinen Namen geben, um zu wissen, dass man in ihr gelandet ist.»
Währenddessen stehen Felicitas‘ Jugendfreundin Anneliese und ihr Ehemann Emil noch stärker im Dienst der Nazis. Nach wie vor sind sie von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugt. Das ändert sich schlagartig, als ihre Pflegetochter Elly, eine Vierteljüdin, ins Visier der Nazis gerät. Nur Dank Felicitas‘ Eingreifen kann Elly in Sicherheit gebracht werden.
Julia Kröhn knüpft nahtlos an den ersten Band der Reihe «Die Alster-Schule» an. Im zweiten Buch erzählt sie weiter spannend und aufwühlend von den Ereignissen in Hamburg während des Zweiten Weltkrieges. Anschaulich schildert sie ein Leben in Angst und Schrecken, die Bombardierungen und den Feuersturm, der Hamburg als Trümmerhaufen zurücklässt. Sie beschreibt den immerwährenden Hunger und den unglaublichen Erfindergeist der Bewohner als auch deren Bemühungen, auf irgendeine Art und Weise mit dem Leben davonzukommen. Die Autorin webt geschickt wichtige Ereignisse in die Geschichte ein, wie zum Beispiel Hinweise über die Widerstandsbewegung «Weiße Rose» in München, ihre Arbeit im Untergrund und die Hinrichtungen der Hauptschuldigen. Dass es Flugblätter aus München bis nach Hamburg geschafft haben und dort ebenfalls eine Widerstandsbewegung ins Leben gerufen wurde, ist wahrscheinlich nicht allen bekannt und ein interessantes Detail. Besonders berührend sind die Textpassagen aus den KZ’s, in denen Levi inhaftiert ist. Das geht unter die Haut.
«…und dass die Sprache trotz allem überaus schön sein kann, ist auch eine Form des Widerstands. Wir müssen ihnen [Anm.: den Kindern] beibringen, dass sie einander brüderlich zugetan bleiben sollen, dass wir niemals aufgeben, dass es eine Zeit … danach geben wird.»
Fazit
Auch der zweite Teil der «Alster-Schule» ist spannend und anschaulich erzählt. Der Roman umfasst die Zeitspanne von 1938-1947 und enthält viele historische Details zu den Kriegswirren in Hamburg. Das Thema Reformpädagogik mit den neuen Bildungsmerkmalen rückt etwas in den Hintergrund, neue Ideologien und neues Verständnis für Erziehung stehen im Fokus. Die Geschichte von Felicitas Marquardt widmet sich im zweiten Band zentralen Themen wie Menschlichkeit, Würde, Rückgrat und Leidenschaft für die Pädagogik. Diese Anliegen weiß die Autorin gekonnt und anschaulich aufzuzeigen. Weitere interessante und aufwühlende Lesestunden sind garantiert.
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