Eine Zweckgemeinschaft wird zur unverhofften Freundschaft – Wenn Literatur Brücken baut ...
Monsieur Picquier ist Buchhändler mit Leib und Seele; daran ändert auch der Eintritt ins Seniorenheim nichts. Sein Zimmer ist mit rund dreitausend Bücher und unzähligen Notizzetteln bestückt. Aufgrund seiner Erkrankung ist es ihm aber nicht mehr möglich, seine Bücher selber zu lesen. In Grégoire, dem jungen Hilfskoch, findet er nicht nur einen Vorleser. Beide profitieren, jeder auf seine Weise, von dieser außergewöhnlichen Zweckgemeinschaft ...
Der Vorleser
Eine Parkinson-Erkrankung macht es Monsieur Picquier unmöglich, selber ein Buch in den Händen zu halten, und die Augenerkrankung verunmöglicht ihm das Lesen. Der junge Hilfskoch Grégoire möchte der heißen Küche eine Weile entfliehen und macht deshalb Monsieur Picquier das Angebot, ihm jeden Tag eine Stunde vorzulesen. Der Buchhändler ist äußerst erstaunt über diesen Vorschlag - hat der junge Mann ihn doch wissen lassen, dass er mit Büchern nicht viel am Hut hat.
«Eigentlich ist es ganz einfach: Laut Statistik bestehen achtzig Prozent das Abitur. Aber ich bin unbemerkt auf die Seite der zwanzig Prozent gerutscht. Ich weiß nicht mal, ob ich in diesen Statistiken überhaupt auftauche. Die Lehrer haben mich jedenfalls nie wahrgenommen.»
Die Welt der Bücher
Monsieur Picquier vereinbart mit der Direktorin des Seniorenheims, dass Grégoire täglich eine Stunde vorlesen darf. Geschickt wählt der alte Buchhändler die Bücher für Grégoire aus und weckt so in ihm die Freude am Lesen und am geschriebenen Wort. Monsieur Picquier lehrt ihn, auf verschiedenste Dinge beim Vorlesen zu achten. Er zeigt dem jungen Mann, wie er seine Stimme geschickt einsetzen und damit die Zuhörer bei sich behalten kann. Für beide werden diese Stunden unverzichtbar. Schon bald weitet sich der Kreis der Zuhörer aus und Grégoire wird zum hauptamtlichen Vorleser im Seniorenheim ernannt. Für alle Senioren - aber ganz besonders für Monsieur Picquier und den jungen Grégoire - wird es eine großartige Erfahrung und eine enorme Bereicherung.
Lehrreich und bereichernd
Mit viel Gefühl schreibt Marc Roger über das Miteinander von Alt und Jung. Anschaulich verpackt in die Welt der Bücher zeigt er, wie ein alter Mann aus seiner Einsamkeit geholt wird und gleichzeitig ein junger Bursche mit Hilfe des Älteren und der Literatur sich selber findet.
Die Sicht des Ich-Erzählers vermittelt eine große Nähe. Die Bedingungen und Arbeitsabläufe im Seniorenheim, die Einsamkeit der Bewohner – all das geht unter die Haut, genauso wie Grégoires Lebensumstände und seine einsetzende Entwicklung.
Glücklicherweise zeigen Monsieurs Picquiers Bemühungen schon bald Wirkung und der schüchterne Grégoire wird Tag für Tag selbstbewusster und neugieriger. Dies zu verfolgen, macht das Lesevergnügen aus und spricht für den Autor und seinen Balanceakt zwischen Tragik und herrlich leisem Humor.
Fazit
Wie der über neunzigjährige Buchhändler den jungen, unerfahrenen und unsicheren Burschen in die Welt der Bücher und die Kunst des Vorlesens einführt, ist absolut raffiniert und berührend. Die Art und Weise, wie dies das Leben zweier Menschen beeinflusst, ist wunderbar und charmant erzählt. Die Beschreibungen von Monsieur Picquiers Weitsicht und Anteilnahme am Leben von Grégoire zeugen von viel Empathie. Es ist eine Lust, diese Geschichte zu lesen. Ein wunderbares Buch über das Miteinander, über das Loslassen - und natürlich über die Literatur und ihre Wirkung.
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