Underdressed oder im falschen Film?
Nach ihrem Studium unternimmt die junge Griechin Calista eine mehrwöchige Reise quer durch Amerika. Unterwegs lernt sie die Britin Gill kennen. Die beiden freunden sich an und reisen gemeinsam an die Westküste. Bevor Calista und Gill ihre Reise fortsetzen, treffen sie - auf Wunsch von Gills Vater - dessen Freunde zu einem Abendessen. Die jungen Frauen erscheinen in kurzen Hosen und T-Shirt in einem der besten Restaurants von Los Angeles - ahnungslos, mit wem sie am Tisch sitzen werden ...
Ein außergewöhnlicher und freundlicher Mann
In Erwartung, dass der Abend bald vorüber sein wird, gibt sich vor allem Calista Mühe, die Fragen des Regisseurs Billy Wilder und des Drehbuchautors Iz Diamond zu ihren Filmvorlieben zu beantworten. Die beiden Herren würden zu gerne wissen, was die jungen Leute heute im Kino sehen möchten. Ihre Erfolge sind schon eine Weile her und den Anschluss an die neue Zeit scheinen sie noch nicht gefunden zu haben. Doch ganz offensichtlich haben beide Mädchen weder Ahnung, mit wem sie am Tisch sitzen, noch von welchen Filmen die Rede ist. Gill leidet außerdem unter der Abreise ihrer erst gerade gefundenen Liebe und macht sich im Verlaufe des Abends davon. Calista hält weiter die Stellung, unterschätzt aber die Wirkung des Weins und erwacht am nächsten Morgen in Billy Wilders Haus ...
Jonathan Coe hat als Ausgangslage für seinen Roman über das Leben von Billy Wilder die Dreharbeiten zum Film Fedora gewählt. Die Schwierigkeiten Wilders, diesen Film zu realisieren, geben Einblick in die Spätphase seines Schaffens und in sein ganz persönliches Befinden.
«Natürlich ist es einer meiner ernstesten Filme - ich will, dass er ernst ist, ich will, dass er traurig ist - aber das heißt nicht, dass sich die Zuschauer hinterher fühlen, als hätte man ihnen zwei Stunden lang den Kopf in die Kloschüssel gedrückt. Du musst ihnen etwas anderes geben, ein bisschen Eleganz, ein bisschen Schönheit.»
Viele kleine Geschichten aus der Welt des Films und Begegnungen mit Berühmtheiten sowie Anekdoten finden in diesem Roman Platz, und sie bilden eine abwechslungsreiche Ergänzung. Für die biographische Erzählung hat der Autor als Basis die fiktive Figur der Calista gewählt. Sie wird von Billy Wilder als Dolmetscherin aufgeboten, als sie auf einer griechischen Insel Szenen für den Film Fedora drehen, und wird später die persönliche Assistentin von Iz Diamond.
Als Ich-Erzählerin lässt Calista die erste Begegnung und ihre Erinnerungen an Billy Wilder und Iz Diamond Revue passieren. Sie verbindet das Flüggewerden ihrer Töchter mit ihren Erinnerungen an die eigene Jugend und kehrt in Gedanken zurück zu jenem außergewöhnlichen Sommer, als sie als Crewmitglied beim Dreh für Fedora dabei war.
Die Geschichte ist gut zu lesen, interessant und stellenweise sehr amüsant. In der Mitte weist der Plot aber einige Längen auf. Dennoch ist die Lektüre unterhaltsam und auf ihre Art eine etwas andere Form von Biographie.
Fazit
Billy Wilders Biographie wird in diesem Roman auf eine ganz besondere Art und Weise erzählt. Er gewährt Einblicke in die Entstehung des zweitletzten Films und in nicht mehr ganz so rosige Zeiten, da sich junge Regisseure mit ganz anderen Ideen ihren Platz erobern. Obwohl das Buch im Mittelteil einige Längen aufweist, ist es unterhaltsam und amüsant und hat einen ganz eigenen Reiz.
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