Das zweite Leben des Adolf Eichmann
- Kiepenheuer & Witsch
- Erschienen: August 2021
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- übersetzt von Silke Kleemann
- HC, 240 Seiten
Ein spöttischer Einblick in den fiktiven Alltag eines nationalsozialistischen Massenmörders
Adolf Eichmann wird den meisten ein Begriff sein. Der SS-Mann leitete das nach ihm benannte „Eichmannreferat“, das ab 1941 die Deportation europäischer Juden koordinierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er nach Argentinien fliehen, lebte dort unter seinem Decknamen Ricardo Klement und blieb lange Zeit unbehelligt. 1960 wurde er aufgespürt und zwei Jahre später hingerichtet. Genau um diesen Mann geht es hier. Aber nicht in Form eines Sachbuchs, sondern als ironisch, schon eher sarkastisch durchdrungenen Roman. Auch in der fiktiven Handlung wird geschildert, wie Eichmann in Argentinien lebt, auf die Einreise seiner Familie wartet, einkauft, plaudert und als normaler Durchschnittsbürger seinem Alltag nachgeht. Hierbei fällt er nicht auf, hält aber unbeirrt und weiterhin fanatisch an seiner nationalsozialistischen Haltung fest. So trifft er sich mit Gleichgesinnten zu netten Unterhaltungen in einem Restaurant. Er selbst sieht sich noch immer als Herrenmensch und fühlt keineswegs Reue für seine abscheulichen Taten.
Darf man solch eine ernsthafte Thematik provokant in eine Erzählung umsetzen?
Was ist das für ein Mann? Darf man ihn so provokant lächerlich darstellen? Genau hier setzt der Autor mit jüdischer Vergangenheit an. Seine Formulierungen sind spöttisch, Eichmann scheint zwischenzeitlich wie ein Unglücksrabe. So wird Eichmann durchgängig der Lächerlichkeit preisgegeben. Es ist nicht einfach als LeserIn in den Alltag eines überzeugten Massenmörders einzudringen, diesen ungefiltert mitzuerleben, aber nicht im herkömmlichen Sinne. Der durchdringende Unterton der Erzählung ist durchgängig ironisch. Zum Glück gelingt es dem Autor, zwischen LeserIn, erzähltem Plot und Hauptfigur eine Grenze zu ziehen, die man kurz erklimmen, aber nicht überschreiten kann. Man kann gar nicht sagen, ob man diesen Roman mag oder nicht, man nimmt das Ganze so hin, schaut zu, denkt nach und lässt alles auf sich wirken.
Fazit
Dieser Roman spielt mit Sprache und stellt den im Exil lebenden, am Massenmord unzähliger Juden verantwortlichen SS-Mann in seinem banalen Alltag dar. Genauso wie der Autor die Figur Eichmanns literarisch nicht ernst nimmt, so verhält es sich mit Eichmanns Verhältnis zu seinen Taten. Ein etwas anderes Leseerlebnis!
Ariel Magnus, Kiepenheuer & Witsch
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