Gelungene Fortsetzung der Hotelsaga
1922 liegt die Führung des Hotels Palais Heiligendamm fest in der Hand von Elisabeth Kuhlmann. Ihr Bruder Paul ist nach der Rückkehr aus dem Krieg nicht mehr er selbst und nicht voll einsetzbar. Der Miteigentümer des Hotels, Julius Falkenhayn, der Vater von Elisabeths Tochter Julia, unterstützt den Betrieb vor allem finanziell. Nachdem das Hotel im Krieg als Rehabilitationsklinik gedient hat, ist es nun wieder glanzvoll renoviert und bereit, Gäste zu empfangen. Doch die Währungskrise macht den Menschen zu schaffen und nur wenige können sich einen Urlaub im Hotel leisten. Da Julius als Regisseur für die UFA arbeitet, nutzt er seine Kontakte und bewirkt, dass über das Hotel ein Werbefilm gedreht wird. Man verspricht sich davon einen neuen Aufschwung. Der Dreh hat vor allem für die jüngste Kuhlmannschwester, Luise, positive Folgen: Sie wird für den Film entdeckt. Während es zwischen Elisabeth und Julius geschäftlich relativ reibungslos läuft, ist ihr privater Umgang miteinander sehr unterkühlt. Julius kann Elisabeth den Vertrauensbruch nicht verzeihen, dass sie ihm die Existenz der Tochter Julia verheimlicht hat. Elisabeth leidet unter der Situation, denn sie liebt Julius aufrichtig, aber es scheint aussichtslos, dass es bei den beiden ein Liebescomeback gibt. Auch Paul Kuhlmann leidet sehr: Er ist in einer unglücklichen Ehe mit Helene gefangen und seine Neigungen zum männlichen Geschlecht peinigen ihn immer mehr. Zu allem Unglück knüpft er auch noch Kontakt zu Menschen, die ihm nicht guttun und die sehr gefährlich werden können …
Steht Teil 1 in nichts nach
Michaela Grünig startet den zweiten Teil ihrer Saga um das Palais Heiligendamm im Jahr 1922. Somit sind ein paar Jahre seit Ende des ersten Buches vergangen. Trotzdem findet sich der Leser rasch wieder in die Geschichte ein. Alles Wesentliche wird kurz und knapp noch einmal wiederholt, sodass auch Leser ohne Vorkenntnis des ersten Bandes mit der Lektüre zurechtkommen könnten. Zur Unterstützung findet man am Anfang ein Personenregister, welches erklärt, in welcher Beziehung die Protagonisten zueinander stehen. Die Autorin kann das hohe Niveau, was sie mit Teil 1 festgesetzt hat, durchaus halten. Auch dieser Roman ist eine gesunde und unterhaltsame Mischung aus Emotionen, Spannung und Drama. Im zweiten Teil treten die Geschehnisse rund um das Hotel aber eher in den Hintergrund. Wenn es aber vorkommt, ist es sehr geschickt in die historischen Gegebenheiten eingebaut. Insgesamt liegt hier der Schwerpunkt sehr auf geschichtlichen Ereignissen, welche aber akribisch recherchiert und wiedergegeben sind. In diesem Teil der Reihe ist der Zeitraum von 1922 bis 1933 abgedeckt. Durch den flüssigen, aber sehr bildhaften Schreibstil gelingt es Frau Grünig, den Leser mit in die Handlung abtauchen zu lassen. Man hat das Gefühl, man erlebt die Ereignisse wie Währungskrise, Antisemitismus und erstes Aufkommen der Nationalsozialisten bis hin zur Machtergreifung als stiller Beobachter neben den Protagonisten mit. Unterstrichen wird die geschichtliche Nähe noch durch das Auftreten historisch realer Persönlichkeiten wie etwa Joseph Goebbels, Adolf Hitler oder Thomas Mann. Obwohl das Buch über 500 Seiten umfasst, ist es ein kurzweiliger Lesegenuss, dem es stets gelingt, die Spannungskurve hochzuhalten.
Authentische Charaktere, die sich weiterentwickelt haben
Gegenüber dem Vorgänger kommen kaum neue Protagonisten dazu; die Altbekannten haben sich durchaus verändert. So zum Beispiel Paul, der in diesem Teil mehr Plattform erhält: Ein sensibler und innerlich gespaltener Charakter, der aber im Verlauf aus sich herausgeht und seine Belange in den Vordergrund rückt, ehe er selbst über seine Zerrissenheit zugrunde geht. Doch genau diese Einstellung wird ungemein gefährlich sein.
Elisabeth und Julius hat man schon in Teil 1 sehr sympathisch empfunden, und ihre Rolle als Eltern tut dazu weiterhin ihr Übriges. An diesen beiden Charakteren sieht man sehr schön, dass es durchaus Personen gegeben hat, die dem aufkommenden Nationalsozialismus gegenüber kritisch eingestellt waren - aber diese waren sehr bald in der Minderheit.
Vorfreude auf den nächsten Teil
An sich findet das Buch ein rundes Ende als Abschluss. Der Titel Stürmische Zeiten passt perfekt für die instabile Zeit zwischen den Kriegen und der wackligen Weimarer Republik. Aber natürlich ist man neugierig, wie es mit den Charakteren und dem Palais Heiligendamm nach Hitlers Machtergreifung weitergehen wird, und so kann man es kaum erwarten, bis im Januar 2022 der dritte Teil erscheint. Hoffentlich gelingt es der Autorin, die Messlatte, die sie mit den bereits erschienenen zwei Teilen sehr hoch gelegt hat, zu halten.
Fazit
Absolute Leseempfehlung, vor allem wenn man sich für die Geschehnisse in Deutschland in den 20er Jahren interessiert.
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