Die Malerei als lebenslange Passion
Als Frau war es im 19. Jahrhundert nicht leicht, sich einen Namen als Malerin zu machen. Marie Ellenrieder trotzte Vorurteilen und erkämpfte sich sogar einen Platz an der Königlichen Akademie in München. Doch all die Widerstände haben ihren Preis: Marie musste ihre Familie an zweite Stelle rücken, und auch für die Liebe war nicht genügend Raum übrig. Haben sich ihre Opfer ausgezahlt?
„Zärtlich glitten ihre Finger über die ausgebreitete Seidenrolle, in der Bleistifte verschiedener Härtegrade, Kohlestifte, Spitzmesser sowie diverse Federkiele in regelmäßig eingenähten Schlaufen steckten.“
Von 1791 bis 1863 lebte die in Konstanz geborene Marie Ellenrieder gemeinsam mit ihren Eltern und den drei Schwestern in einem Haus. Stets war sie in ihrer eigenen Welt gefangen, hatte überall ihre Zeichenutensilien dabei, um alltägliche Momente zu Papier zu bringen. Der strenggläubigen Mutter, die für alle ihre Töchter ein Leben als tüchtige Ehefrau vorsah, war dies ein Dorn im Auge. Doch der kunstliebende Vater setzte sich durch - auch befeuert durch die Gunst des Generalvikars Ignaz Heinrich von Wessenberg, der das Talent Ellenrieders trotz der Konventionen der katholischen Kirche förderte. Auch ihre Lieblingsschwester Pepi war Marie eine große Stütze.
Dank ihrer Hartnäckigkeit und der Unterstützung Wessenbergs gelang es ihr schließlich, als erste Frau an der Königlichen Akademie in München angenommen zu werden und Kunst zu studieren. So begann für sie ein Abenteuer, das sie durch etliche Fürstentümer führte und ihren Namen über Grenzen hinweg trug. Die politische Lage während der Napoleonischen Kriege und ein verheerender Vulkanausbruch in Indonesien machten das Leben zwar beschwerlich, doch Marie Ellenrieder hielt an ihrem Traum fest: nach Rom zu kommen, um dort ihre Malerei weiter auszubauen. Ihre Errungenschaften halten bis heute an.
„Endlich war sie in der Welt der Farben angekommen! Vor ihr standen die Gläser mit den kostbaren Pigmenten: pulverisierte Mineralien in wunderbaren Farbtönen. Mit den Primärfarben Rot, Blau und Gelb ließen sich fast alle Farben mischen.“
Marie Ellenrieder ist nicht die erste Malerin gewesen, die einen großen Bekanntheitsgrad erlangte. Ihren Lebensweg kreuzten weitere Künstlerinnen, die auch in dem Buch vorkommen. Es zeigt einen langsamen Wandel jener Zeit, in der Frauen zwar weiterhin nicht viel Mitbestimmungsrecht hatten, aber Vorreiterinnen sein konnten, an denen sich viele andere ein Beispiel nahmen. So steht Marie Ellenrieder für eine selbstbestimmte Frau, die ihren Traum gegen alle Widerstände durchsetzte.
Als Ansatz für diese Romanbiografie dienen Briefe und Tagebücher, die ein persönliches Bild zeichnen. Einer Zukunft als Ehefrau und Mutter entsagt, pflegte sie trotzdem einen regen Austausch mit Mitmenschen. Vor allem ihre Zeit in Rom ist sehr aussagekräftig, und Ellenrieder schlug viel Profit aus der Arbeit ihrer Künstlerkolleginnen und -kollegen. Wenngleich die ein oder andere Freiheit der Autorin notwendig ist, so zeichnet sie doch ein Bild einer ehrgeizigen Malerin, der aber auch Sinnlichkeit und Nähe nicht fremd waren. Der Zwiespalt zwischen ihrer Liebe zur Malerei und der Sehnsucht zu Körperlichkeit werden deutlich.
Insgesamt ist es eine gelungene Biografie, die sowohl die Gepflogenheiten der Zeit als auch Ellenrieder selbst in ein interessantes Licht rückt. Dass sich das Buch nur wenigen ihrer Lebensjahre annimmt, stößt nicht sauer auf, denn diese scheinen ihre produktivsten gewesen zu sein. Ein paar abgebildete Werke wären schön gewesen (das Cover ist ein Selbstporträt der Künstlerin) oder hätten zumindest nochmal aufgelistet werden können, um sie sich im Internet anzuschauen.
Fazit
Der Titel Marie Ellenrieder und die Farben der Liebe ist ein bisschen überspitzt gewählt, fasst aber im Wesentlichen die Ambivalenz ihres Lebens zusammen. Es war spannend, diese faszinierende Malerin kennenzulernen, und ihr Wirken für nachfolgende Künstlerinnen ist offensichtlich.
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