Erinnerungen in einer Walholzschatulle
Ein Traum, Abenteuer, Mut, Durchhaltewillen: Das Leben von Lene Vosskamp ist geprägt von Schicksalsschlägen, Irrungen, Wendungen und vom Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. All das ist Bestandteil der Verwirklichung ihres Traums: Der Teepalast ...
Bremen, 1876: Die Geschichte beginnt mit dem Nachmittagstee bei der Großmutter. Bettina ist neunjährig und würde nur zu gerne wissen, wie ihre Oma Helene in jungen Jahren gewesen war.
«Alles, was sie aus dieser Zeit wusste, hatte mit bitterster Armut und unfassbaren Wagnissen zu tun. Und mit Dingen, die für eine Dame von Stand absolut unmöglich waren.»
Bettina ahnt nichts von den Gedanken ihrer Großmutter, doch der Inhalt einer hölzernen Schatulle lässt die alte Dame zurückkehren in ihr Elternhaus und zu jener verhängnisvollen Nacht, in der ihr Vater tödlich verunglückte.
Eine verhängnisvolle Nacht und ihre Folgen
Hogsterwaard, 1834: Helene «Lene» Vosskamp ist mit ihrem Vater mitten in der Nacht mit dem Boot draußen auf See. Ein Schiff ist auf Grund gelaufen und die Küstenbewohner hoffen, etwas von der Schiffsladung zu erhaschen. Lenes Vater bemerkt jedoch, dass das Leuchtfeuer absichtlich gelöscht wurde und das Schiff deshalb gestrandet ist. Er wendet sofort sein Boot; wenn dem so ist, wie er vermutet und er erwischt wird, droht ihm der Galgen. Die See ist stürmisch, und noch während der Kehrtwende verletzt ihn der Großbaum am Kopf und er geht über Bord. Lene versucht, ihren Vater im Wasser zu finden. Endlich scheint sie erfolgreich zu sein. Doch nicht ihr Vater, sondern ein junger Mann - wahrscheinlich ein Besatzungsmitglied des gesunkenen Schiffs - hängt an der Rettungsleine. Der Dank für die Rettung ist eine sonderbare Münze. Viel später findet Lene heraus, dass diese Münze sie für den Teehandel mit China berechtigt.
Am nächsten Tag wird Lene des Mordes am Strandvogt beschuldigt und in den Kerker geworfen. Nach einer schier endlos langen Zeit wird sie jedoch überraschend entlassen; ein Unbekannter hat sich für sie verwendet. Doch die Obrigkeit will Lene für weitere Vergehen anklagen. Ihr bleibt nur die Flucht, will sie nicht wieder im Gefängnis landen. Und ein Traum nimmt Gestalt an: Sie möchte in Friesland einen Teepalast eröffnen. Dafür nimmt sie unglaubliche Anstrengungen auf sich und reist über London bis nach Kanton. Sie will mit der sonderbaren Münze in den Teehandel einsteigen.
«Ich werde Tee kaufen. Ich werde reich werden. Ich werde zurückkommen und einen Teepalast bauen. Mein Traum wird mein Wegweiser sein und keine Fantasie, an der man sich in kalten Hungernächten wärmt.»
Elisabeth Herrmann packt den Traum vom Teehandel und die damit verbundenen Abenteuer, sowie Mut, viele Wendungen und ebenso viel Glück in ihren Roman Der Teepalast. Das macht die Geschichte abwechslungsreich, spannend und vermittelt ein eindrückliches Bild dieser Zeit. Lenes Reise nach England und weiter nach Asien erzählt gleichzeitig die Geschichte großer Armut in Ostfriesland und als Folge der Industrialisierung, von der außerordentlichen Arbeitslosigkeit in England. Sie gewährt außerdem einen Einblick in das Reisen und Leben auf Schiffen und in das Handelswesen mit den Kolonien und thematisiert explizit die politischen und zwischenmenschlichen Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Tee- und Opiumhandel.
Der Roman nimmt sich aber auch dem Thema Frauen in der Gesellschaft an und zeigt auf, als wie wertlos sie galten und wie schwierig ihr Leben war. Dem setzt die Autorin mit ihrer Widmung
«Allen Frauen vor uns gewidmet, die ein Nein nicht akzeptiert haben.»
ein klares Zeichen.
Eine sehr gut recherchierte Lektüre, trotz der teils schwierigen Themen verständlich und leicht zu lesen. Der Einstieg braucht etwas Zeit, aber dann nimmt die Geschichte Fahrt auf. Ein Abenteuerroman zum Abtauchen in fremde Welten und alte Zeiten.
Fazit
Eine spannende und abenteuerliche Reise von Friesland mit dem Schiff nach England und weiter nach Asien. Eine ereignisreiche Geschichte, die mit einer Flucht beginnt und schließlich die Hauptfigur bis nach China führt. Die historischen Fakten sind sehr gut zusammengetragen und in den Roman eingearbeitet, sodass man beim Lesen aktiv an den Abenteuern der Protagonistin teilnimmt und mitfiebert. Eine wunderbar runde Geschichte von einer mutigen Frau, die sich aufmacht, ihren Traum zu verwirklichen.
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