Die verlorenen Kinder von Paris
- HarperCollins
- Erschienen: April 2022
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- OT: The Paris Children. A Novel of WWII
- aus dem Englischen von Christiane Bowien-Böll
- TB, 432 Seiten
Der berühmte Grossvater und ein Leben im Widerstand
Die Lebensgeschichte von Madeleine Levy ist gleichzeitig Teil der Geschichte der Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten, der Vichy-Regierung und des französischen Widerstands, der Résistance. Madeleines Grossvater, Alfred Dreyfus, war während der Dritten Französischen Republik Hauptbeschuldigter der sogenannten Dreyfus-Affäre.
Madeleine Levy erkrankt in ihrer Kindheit an Scharlach. Die Krankheit hat ihr Gehör geschädigt und die Hörschwäche wird sich mit zunehmendem Alter noch verstärken. Trotz oder gerade wegen dieser Einschränkung ist Madeleine den Menschen besonders zugetan.
«Du musst deine Schwerhörigkeit als ein Geschenk betrachten. Du wirst lernen, dich zu konzentrieren und den Leuten, die mit dir sprechen, von den Lippen abzulesen. Diese Art von Konzentration wir dir zu einem tiefen Verständnis verhelfen für die Menschen und für das, was sie sagen». (Quelle: Roman)
Helfer im Untergrund
Während des Zweiten Weltkrieges schliesst Madeleine sich den jüdischen Pfadfindern an und hilft jüdischen Familien, die aus Deutschland geflüchtet sind. Mit der zunehmenden Gefahr durch die Nazis muss auch die Familie Levy-Dreyfus Paris verlassen. Sie flüchten nach Toulouse in eine vorläufige Sicherheit. Madeleine setzt sich auch in ihrer neuen Umgebung, gemeinsam mit vielen weiteren Helfern, für die Verfolgten ein. Schon bald wird sie eine wichtige Akteurin der Résistance.
Mit Zuspitzung der Lage werden Fluchtrouten über die Pyrenäen nach Spanien und über die Alpen in die Schweiz geplant. Die ganze Familie Levy-Dreyfus setzt sich für ihre verfolgten Glaubensgenossen ein und hilft auf verschiedenste Art und Weise. Doch der Druck auf die stillen Helfer und die Untergrundbewegungen nimmt stetig zu – je weiter die Nazis in Frankreich vordringen. Noch gibt es eine unbesetzte Zone im Süden Frankreichs. Vorerst sicheres Gebiet für die Verfolgten – doch wie lange noch? Die Besatzer rücken unaufhörlich näher und deshalb wird die Arbeit im Untergrund noch gefährlicher. Es wimmelt von Spitzeln und Verrätern. Aber Madeleine, ihre Familie und ihre Mitkämpfer sabotieren, verstecken Kinder und suchen weiter Wege in die Freiheit.
«Es wird schwierig, ma chérie. Es wird gefährlich. Aber alles ist schwierig. Alles ist gefährlich. Es ist gefährlich, zu atmen. Es ist gefährlich, eine Baguette zu kaufen…» (Quelle: Roman)
Der Roman von Gloria Goldreich beruht auf wahren Begebenheiten und ist äusserst aufwühlend. Die Handlung beginnt 1935 mit dem Tod von Alfred Dreyfus, Madeleines Grossvater. Zu dieser Zeit mehren sich in Frankreich die Hinweise auf Grausamkeiten gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Deutschland. Helfende Hände nehmen sich der Verfolgten an und versuchen, vor allem den Kindern, ein wenig Sorglosigkeit zu vermitteln. Eine tragende Rolle übernimmt dabei die französisch-jüdische Pfadfinderbewegung. Die Mitglieder werden später in der Résistance, der französischen Widerstandsbewegung, weiter aktiv bleiben. Der Roman beschreibt überzeugend die heiklen und gefährlichen Einsätze der diversen Gruppierungen im Untergrund.
Es ist Gloria Goldreich gelungen, die Lebensgeschichte von Madeleine Levy in einer beeindruckenden Art und Weise zu erzählen. Der verwendete Schreibstil schafft eine angenehme Distanz zum Geschehen und weist trotzdem klar und deutlich auf die unglaublichen Geschehnisse hin. Weder beschönigend noch schwarzmalend ist es ein beeindruckendes Zeitzeugnis, das unter die Haut geht und noch lange nachwirkt.
Fazit
Eine beeindruckende und einfühlsame Würdigung für Madeleine Levy. Die Lebensgeschichte der jungen Widerstandskämpferin beleuchtet ihren edlen Charakter und ihren Wagemut. Ihr Einsatz für die jüdischen Kinder und die Befreiung Frankreichs ist unglaublich. Das geht unter die Haut.
Gloria Goldreich, HarperCollins
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