So tun, als ob es regnet: Roman in vier Erzählungen
- Klett-Cotta
- Erschienen: Mai 2022
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- TB, 176 Seiten
Vier Erzählungen, vier Momentaufnahmen, vier Figuren
„So tun, als ob es regnet“ ist ein dünnes Erzählbändchen, das es literarisch in sich hat: Iris Wolff vermag es, ein ganzes Jahrhundert abzubilden, ohne das Gefühl zu hinterlassen, es fehle etwas, obwohl es sich im Grunde nur um Momentaufnahmen Einzelner handelt. Vier Erzählungen mit vier unterschiedlichen Figuren, Jacob, Henriette, Vicco und Hedda, sind dadurch miteinander verbunden, dass sie in irgendeiner Hinsicht etwas mit Siebenbürgen und ihrer gemeinsamen Familiengeschichte zu tun haben.
Erzählmomente, die von Krieg, Freiheit und Verlust handeln
In der ersten Geschichte geht es um den österreichischen Soldaten Jacob, der 1916 unfreiwillig in ebendiese Region gelangt, um dort zu kämpfen. Weiter geht es mit Henriette, die Jacobs Tochter ist, und 1933 nachts eine geheime Gesellschaft besucht. Hier erfährt der Lesende, was es mit dem Titel des Erzählbandes auf sich hat. Henriettes Sohn Vicco lernt man im nächsten Kapitel kennen, das 1969 spielt. Vicco ist Motorradfahrer, der eigentlich seine Freiheit liebt, sich aber dennoch zu sehr anpasst, um als Rebell zu gelten. Er glaubt, er müsse sterben und versäume dadurch die Mondlandung der Amerikaner. Zuletzt begegnetet man Hedda, deren Erzählmoment in der Gegenwart spielt. Der Unterscheid zu den anderen Protagonisten ist, dass sie sich nicht in Siebenbürgen befindet, sondern auf einer kanarischen Insel. Sie ist Viccos Tochter und wanderte vor geraumer Zeit aus. Sie beobachtet ein auslaufendes Fischerboot und wird den Gedanken nicht los, es kehre nie mehr zurück.
Leise Worte, aber gut zu hören
Vier Generationen, vier Figuren, vier intensive Erzählmomente, die eines eint, nämlich die leisen Worte, die Melancholie, nicht der große Schrei nach Aufmerksamkeit. Das Flüstern ist viel besser zu hören und impliziert Nähe zu den fein gezeichneten Protagonisten. Auch wenn es zu Beginn der Erzählungen noch nicht ersichtlich ist, dass jede miteinander in Verbindung steht, wird dies doch relativ schnell deutlich. Jeder der Vier hat das Gefühl, sich sowohl mit Stücken seiner Vergangenheit auseinander setzen zu müssen als auch einen winzigen Blick in die Zukunft zu werfen, ob es sich lohnt, weiterzumachen.
Fazit
Iris Wolff hat den Blick für das Wesentliche, Genaue im menschlichen Miteinander. Dies beweist sie in den geschickt miteinander verflochtenen vier Erzählungen. Dabei geht es auch um Identität, Selbstfindung, der Auseinandersetzung mit Schicksalen wie Krieg, Flucht und dem Gefühl der Verlorenheit. Durch ihre poetische, aber nie plakativ gefühlvolle Sprache gelingen ihr die leisen Töne in der lauten Welt der Literatur.
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