Eine kafkaeske Geschichte aus Österreich
Die verstorbenen Eltern der Wiener Physikerin Ruth wollen in dem Ort ihrer Kindheit begraben werden. Doch wo befindet sich dieses Groß-Einland? Es ist auf keiner Karte verzeichnet, in keinem Register genannt. Ruth begibt sich auf die Suche und findet den versteckten Ort tatsächlich. Doch hier scheint die Welt anderen Gesetzen zu folgen: unter dem Ort erstreckt sich ein gigantischer Hohlraum, der das Leben der Groß-Einländer genauso zu bestimmen scheint, wie die Gräfin in ihrem Schloss. Ruth gerät in den Bann dieser surrealen Dorfgemeinschaft, die Geheimnisse verbirgt und mauert, als Ruth ihnen auf die Spur kommt.
Disparate Reaktionen auf Erstveröffentlichung
Der Debütroman der Österreicherin Raphaela Edelbauer wurde bereits 2019 in gebundener Form veröffentlicht. Wie bei kaum einem anderen Buch in den letzten Jahren waren die Reaktionen auf die Geschichte von Ruth und Groß-Einland so unterschiedlich, ja gegensätzlich. Während die Einen ganz begeistert waren, dafür sorgten, dass das Buch auf die Shortlists des Deutschen und des Österreichischen Buchpreises kam, waren die Anderen wenig angetan, manchmal sogar ablehnend. Das hat mich neugierig auf diese Geschichte gemacht, deren Beurteilungen von „unheimlich, spannend, aberwitzig und kaum zu fassen“ bis hin zu „unrealistisch“ und „mittelmäßige Unterhaltung“ ging.
Der Intension des Romans hätte eine andere Darstellungsweise gebraucht
Die Handlung des Buches kann auf zwei Ebenen eingeordnet werden: Die ganz realen Vorkommnisse mit den immer bedrohlicher werdenden Absenkungen mitten in Groß-Einland; der gräflichen Anordnung an Ruth ein Material zur Verfüllung zu finden; die unaufgeklärten Ereignisse rund um ein Arbeitslager während der NS-Zeit und die Verstrickung von Ruths Familie darin. Daneben gibt es die kafkaesken Schilderungen der Einwohner; der Gräfin in ihrem Schloss; eine scheinbare Zeitverzerrung und der sehr surreale Umgang mit der Absenkung und ihrer anstehenden Verfüllung. Der viel zu offensichtliche Zusammenhang zwischen moralischem und physikalischem Einsturz in Groß-Einland, der dem Leser wenig subtil vor Augen gehalten wird und von Edelbauer in einem teilweise eher verkrampft als elaboriert wirkendem Stil verpackt wurde, soll wohl die Essenz des Buches sein. Zwar ist es ganz amüsant der Erzählung von Ruth zu folgen, die sich immer mehr in der skurrilen Welt des Ortes einfügt, doch kann man nicht umhin sich zu fragen, warum die Autorin diese Art der Mitteilung gewählt hat, die die Brisanz der Frage nach Gerechtigkeit fast schon in eine Art Farce ausarten lässt. Für mich hat das doch sehr unspektakuläre Ende der teilweise auch sehr langatmigen Geschichte den Rest gegeben.
Fazit
„Das flüssige Land“ spaltet die Leserschaft ebenso, wie die Absenkung Groß-Einlands. Die kafkaeske Geschichte wirkt auf mich verkrampft und der aufgesetzt als elaboriert wirkende Stil lassen für mich den Roman eher unspektakulär als preisverdächtig erscheinen. Aber machen Sie sich selbst ein Bild und folgen sie Ruth in das surreale Groß-Einland, das durch eine Bodenabsenkung in moralische und physikalische Schwierigkeiten gerät.
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